(4 I. Die geschichtliche Entwicklung der Anschauungslehre,
schauung erklären zu wollen, er begreift sie als das, was
sie sind, als eine Schöpfung des Verstandes. Er erkennt
sehr richtig an, daß die Arithmetik, die Rechenkunst, die
einzige Disziplin ist, die „keine untergeordneten Mittel an
sich anschließt“. Er sagt ferner: „Schall und Form (also
die Wahrnehmungen des Gehörs und Gesichtes) führen
den Keim des Irrtums und der Täuschung sehr oft und
auf verschiedene Weise in sich selbst. Die Zahl niemals,
sie allein führt zu untrüglichen Resultaten, und wenn die
Meßkunst (Geometrie) den nämlichen Anspruch macht, so
kann sie denselben nur durch die Handbietung der Rechen-
kunst (Arithmetik) und durch die Vereinigung mit ihr be-
haupten, das heißt, sie ist darum untrüglich, weil sie rechnet.“
Dies ist eine Äußerung, die geradezu prophetisch klingt,
wenn man die heutige Entwicklung der Mathematik be-
achtet, obschon sie wohl von Pestalozzi in etwas anderem
Sinne gemeint war.
Die Arithmetik ist für Pestalozzi schließlich doch nicht
Selbstzweck; was ihm eigentlich am Herzen liegt, ist die
Ausbildung der Anschauung, und was demnach die Arith-
metik für ihn bedeutet, drückt er klar mit den Worten
aus: „Es liegt hier das Mittel, die Anschauung den Schran-
ken ihrer bloßen Sinnlichkeit zu entreißen und sie zum
Zweck der höchsten Kraft unseres Wesens, zum Werk des
Verstandes zu machen.“
Daß Pestalozzi trotzdem noch nicht imstande ist und
es dem Standpunkt seiner Zeit nach auch gar nicht sein
kann, die Arithmetik rein als ein Werk des Verstandes zu
begründen, zeigt sich deutlich in seiner Auffassung der
Bruchrechnung. Die genaue, rein formale Definition der
Brüche als Zahlenpaare, die analogen Rechenregeln unter-
worfen werden wie die einfachen Zahlen, konnte Pesta-
lozzi noch nicht kennen, sie hat sich erst viel später
mühsam durchgesetzt und ist vielleicht heute noch nicht
einmal allgemein anerkannt. Zudem ist sie pädagogisch
kaum verwertbar, und die Erziehung ist doch überall Pe-