22 I. Die geschichtliche Entwicklung der Anschauungslehre.
hierdurch nur denkend lernen. Soweit diese Übungen
gehen, sind sie nur Übungen der Kraft in der Anschau-
ung reiner Verhältnisse. Als Anwendung dieser Kraft auf
die Berechnung der Größe, der Schwere, der Dauer und
des Wertes aller Gegenstände der Wissenschaft und des
Berufes, sowie auf die Fertigkeit, das reine Bewußtsein
der Zahlenverhältnisse mit Verkürzungsmitteln, Zahlzeichen,
auszudrücken, dazu braucht es neue Übungen, die sich
aber wesentlich an diese Fundamentalübungen anschließen
müssen.“
Es kann nach diesen Worten scheinen, als ob Pestalozzi
das Wesen der Zahl doch in die Anschauung‘ verlegte.
Das ist aber nicht der Fall, in der Anschauung liegt nach
Pestalozzi nur das, was die Zahlen ausdrücken, wenn man
sie metrisch verwendet. Indem er die Gesamtheit aller
dieser metrischen Anwendungen der Zahlen zusammenfaßt,
ergibt sich ihm der Begriff einer „Anschauung reiner Ver-
hältnisse“. Es sind sicher gewisse Bilder, die diese An-
schauung leiten: die nebeneinander gestellten Einheiten auf
der einen Seite und die aneinander gelegten gleichen Strek-
ken, Quadrate und Rechtecke auf der anderen Seite, Durch
eines dieser Bilder kann jedes Größenverhältnis dargestellt
werden, und so findet in dieser Darstellung das einfachste
Urteil über ein Mehr oder Minder, das die unmittelbare
Anschauung oder Erfahrung fällt, seine Abklärung zu einem
exakten Ausdruck. Dadurch erhebt es sich nach Pestalozzis
Meinung zu dem Bewußtsein eines genauen Verhältnisses,
für die erwähnte Darstellung aber und damit auch für das
Größenverhältnis selbst liefern die Zahlzeichen, wie Pesta-
lozzi meint, nur einen abgekürzten Ausdruck, sie kommen
deshalb am Ende, und ihre zu frühe Finführung würde die
Größenanschauung, die in dem Kinde entwickelt werden
soll, untergraben. So ungefähr, glaube ich, können wir uns
Pestalozzis Absicht und Ansicht klarmachen.
Die Anschauungsmittel sind auch in dieser zweiten An-
schauungslehre drei Tabellen. In der ersten Tabelle sind