Full text: Die Erziehung der Anschauung

24 I. Die geschichtliche Entwicklung der Anschauungslehre, 
kenntnis bedeutete, so wird sie jetzt nur das Rohmaterial, 
an das sich die Erkenntnis knüpft, und statt dem Zählen 
und Messen in der Anschauung die feste Stütze zu geben, 
macht er sie jetzt in rein äußerlicher Anlehnung an die 
Elementarbücher zum Werkzeug, mit dem das Anschau- 
ungsmaterial bearbeitet wird. Allmählich drängt sich ihm 
das Wort „Kraft“ vor, und dies hilfsbereite Wort tritt nun 
dem Begriff der „Anschauung“ gegenüber als Ausdruck 
der Fähigkeit des Geistes, die Eindrücke der Sinne ord- 
nend zu verarbeiten. 
„Wie entfalten sich“, fragt er in dem Schwanengesang 
1826, „die Fundamente (man beachte das Zeichen des Alters, 
das in diesem schiefen Bilde liegt!) des geistigen Lebens, 
die Fundamente seiner Denkkraft, seiner Überlegung und 
seines Forschens und Urteilens naturgemäß in unserem Ge- 
schlechte? Wir finden, die Bildung unserer Denkkraft geht 
von dem Eindruck aus, den die Anschauung aller Gegen- 
stände auf uns macht und die, indem sie unsere inneren 
und äußeren Sinne berühren, den unserer Geisteskraft 
wesentlich innewohnenden Trieb, sich selber zu entfalten, 
anregen und beleben.“ 
„Und da die Kraft, durch die Anschauung deutlich 
erkannte Gegenstände logisch zu bearbeiten, offenbar in 
der gebildeten Kraft zu zählen und zu messen ihre erste, 
naturgemäßeste Anregung und Belebung findet, so ist klar, 
daß in der vereinfachten Bearbeitung der Zahl- und Formen- 
lehre das vorzüglichste Mittel zu diesem wichtigen Zweck 
der Menschenbildung gesucht und anerkannt werden muß 
und warum die Idee der Elementarbildung die psycho- 
logisch bearbeitete und vereinfachte Zahl- und Formen- 
lehre, in Verbindung mit der ebenso vereinfachten Sprach- 
lehre, gemeinsam als das tiefste, einwirkendste, allgemeine 
Fundament der naturgemäßen Kunstausbildung der mensch- 
lichen Denkkraft anerkennt und ausspricht.“ 
Wir dürfen aber eines nicht vergessen hervorzuheben, 
daß gerade in der Zwischenzeit zwischen der Anschau-
	        
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