36
schauung und den technischen Anwendungen viel näher ge-
rückt.
Wir können also doch nicht sagen, daß wir der leich-
;eren Verständlichkeit zuliebe eine bessere Methode hintan-
setzen, wenn wir für die Volksschule ein von der euklidi-
schen Methode abweichendes Lehrverfahren empfehlen, viel-
mehr geschieht es deshalb, weil dieses andere Lehrverfahren
das den praktischen Anwendungen und der technischen
Anschauungsweise näherstehende ist. An und für sich liegt
in der bloßen Bestimmung der Reihenfolge der Figuren
keine Erschwerung oder Erleichterung, sondern nur eine
größere oder geringere Anpassung an die Wirklichkeit.
Die Schwierigkeiten entstehen erst bei der logischen Durch-
bildung des Systems, bei der Zurückführung aller geome-
trischen Sätze auf einige wenige Grundsätze, die als Axiome
bezeichnet werden und alles in sich schließen, was wir für den
Ausbau des geometrischen Systems an logisch unabhängigen
Tatsachen aus der Anschauung entnehmen müssen. Diese
Zurückführung steht aber am Ende und nicht am Anfang
des geometrischen Lehrganges, denn um sie vollenden zu
können, müssen wir schon die geometrischen Sätze in ihrer
Gesamtheit vor Augen haben, wir müssen wissen, welche
von ihnen dazu geeignet sind, als Grundsätze verwendet zu
werden. Es gehört also schon ein gereiftes geometrisches
Verständnis dazu, um überhaupt die Axiomatik in ihrer
richtigen Bedeutung fassen zu können.
Deshalb ist ein Lehrgang, der der euklidischen Anord-
nung folgt, keineswegs notwendigerweise auch ein streng
wissenschaftlicher Lehrgang. Er beraubt sich nur der Mög-
lichkeit, von den der Anschauung und der praktischen An-
wendung am nächsten liegenden geometrischen Formen
auszugehen. Dadurch, daß wir diese Beziehungen zur Wirk-
lichkeit und zu den praktischen Anwendungen für die Ele-
mentarschulen entschieden voranstellen, fällen wir die Ent-
scheidung über den allgemeinen Charakter des einzuschla-
genden Lehrverfahrens. Warum aber gerade der Gesichts-
II. Die Forderungen der Gegenwart.