Full text: Charakterbegriff und Charaktererziehung

Charakterentwicklung und logisches Denken 125 
der Gerechtigkeit gegen sich und andere kann 
nur in einer Seele mit klarem Verstande woh- 
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nen, in einer Seele, die, ihre eigenen Gefühle be- 
meisternd, gewohnt ist, herkömmliche Entscheide 
auf ihre Folgerichtigkeit zu prüfen und der ge- 
wissenhaften Prüfung gemäß zu handeln. Kurz, 
die Gewohnheiten des logischen Denkens sind 
zwar keine sichere Gewähr für die Entwicklung 
eines selbständigen Charakters, wohl aber 
gine unerläßliche Voraussetzung. Es erscheint mir 
daher zweckmäßig und notwendig, auch auf die 
Gefahr hin, da und dort etwas Bekanntes zu 
sagen, auf den Begriff des logischen Denkens 
hier näher einzugehen. Denn von der Erfassung 
dieses Begriffes hängt die Entwicklung der Ur- 
teilsklarheit und damit auch des Charakters ab. 
Geistig erzogen kann man nur den Menschen 
nennen, der gewohnt ist, jede Schlußfolgerung, 
die er macht oder hört, durch Untersuchung ihrer 
Folgen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Diese Ver- 
fassung der Seele, vor dem accepit in einen Zu- 
stand weiser Zurückhaltung zu treten, ist durch- 
aus keine angeborne. Der naive Mensch denkt 
ohne wesentliche Überlegung. Er bejaht leicht 
die unmittelbar sich ergebenden Folgerungen, 
die in seinem Bewußtsein aufsteigen, und zwar
	        
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