Full text: Charakterbegriff und Charaktererziehung

154 I VIII. Die Aufwühlbarkeit 
ängstlicher Spannung, wenn alle Bewegungen, 
die sie sehen, der Ausdruck größter Ergriffenheit 
des Schauspielers sind, wenn keine von ihnen 
das Resultat einer Berechnung ist, wenn alles 
kommt, wie es kommen muß, wenn kein Wille 
der Erwägung und der Absicht sich zwi- 
schen Vorstellung und Handlung schaltet, wenn 
der Ablauf aller Handlungen rein ideomotorisch 
vor sich geht. Das ist das Wesen und die Wir- 
kung der künstlerischen Aufwühlbarkeit. 
Beim darstellenden Schauspieler sind es auch 
intellektuelle Vorgänge, welche am Aufwühlen 
seiner Seele mitwirken in Verbindung mit jenem 
sympathetischen Erfassen des darzustellenden 
Charakters, das sich aus der Synosis! ergibt. 
Beim reproduzierenden Musiker sind es neben 
dunklen Allgemeinvorstellungen mehr ästhetische 
Empfindungen, welche die Seele erregen. Ist 
die Komposition ein wirkliches Kunstwerk, wie 
irgendeine der großen Sonaten von Beethoven, 
so unterscheidet sich schon beim Prima-Vista- 
Spiel die aufwühlbare von der nichtaufwühlbaren 
Seele. Nach wenigen Minuten ist die aufwühl- 
bare Seele in geheimnisvoller Verbindung mit 
den reichen Gemütsbewegungen des Kompo- 
nisten. Aus dem Innern des so ergriffenen Spie-
	        
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