158 VIIT. Die Aufwühlbarkeit
Unterganges. Der französische Dichter Balzac
spricht von den Personen der Comedie humaine,
als ob sie lebten. Er analysiert, tadelt, lobt sie, als
gehörten sie mit ihm zu der gleichen guten Ge-
sellschaft. Er konnte lange Debatten darüber füh-
ren, was sie in der Lage, in der sie sich befinden,
tun würden. — Als Goethe sich in alle Einzel-
heiten einer Lebenslage des Wilhelm Meister
hineindachte, fing er zuletzt an, bitterlich zu
weinen.
Erkennt man aus diesen Beispielen, wie ab-
hängig schon die Macht der Phantasie von der
Aufwühlbarkeit des Gemütes sein muß, so wird
man um so mehr begreifen, von welch starkem
Einfluß die Aufwühlbarkeit des Gemütes auf
unser gesamtes Handeln ist. Freilich kommt da-
bei vor allem _die_Dauer_des Ergriffenseins_in
Betracht. Es gibt Seelen, die alle Augenblicke
aufflammen, aber auch alle Augenblicke er-
löschen; es gibt Seelen, die selten aufflammen,
aber dann mit zunehmender Stärke jahrelang
glühen. Es gibt Menschen, die, einmal von der
Idee entzündet, weiterbrennen, bis der Tod die
Fackel löscht. All ihr Denken ist von den Ketten-
fäden der Idee durchschossen, von der sie erfaßt
sind. Die Idee mit ihren Gefühlswellen steht jeden
m
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