Full text: Charakterbegriff und Charaktererziehung

184 IX. Der Charakterbegriff bei Herbart 
Das ist eben das Charakteristische alles organi- 
schen Lebens, daß es zwei ursprüngliche Tätig- 
keitsformen hat: Reaktion und Spontaneität. Re- 
aktion allein kennt auch die unorganische Natur, 
Spontaneität ‚aber. bloß die organische. Jede 
Lehre der Charakterbildung aber, die an diesem 
zweiten Grundmerkmal des organischen Lebens 
vorübergeht, muß, sofern sie folgerichtig bleibt, 
auf falsche Wege geraten. Wie es scheint, ist sie 
schon in der Psychologie Schleiermachers ge- 
geben, wenn er erklärt (vgl. auch Seite 58), die 
Totalität des Lebens äußere sich in einer Duplizi- 
tät von ausströmender (spontaner) und aufneh- 
mender (rezeptiver) Tätigkeit. Zum Glück ist 
gerade hierin Herbart nicht konsequent mit seiner 
eigenen Psychologie geblieben. 
Sobald aber das Grundmerkmal des echten 
Interesses, die Spontaneität, klar zum Bewußt- 
sein kommt, hat ihre Lehre von der frühzeitigen 
Erzeugung eines möglichst vielseitigen und noch 
dazu gleichschwebenden Interesses, die bei Her- 
bart wegen der Ausbildung des Gedankenkreises, 
also wegen des richtunggebenden Effektes gro- 
ßer und unzerstückelter Gedankenmassen eine so 
wichtige Rolle für die Charakterbildung spielt, 
ihre Bedeutung verloren. Denn wenn das echte 
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