204 X. Wesen der Charaktererziehung
der andere nur für den Dienst der wissenschaft-
lichen, der dritte nur für den Dienst der künst-
lerischen Wahrheit geeignet. Indem er sich aber
der Wahrheit auf seinem speziellen Arbeitsgebiete
ehrlich weiht, wird sein Charakter groß und stark
werden und auch Achtung bewahren vor den
Wahrheiten anderer Arbeitsgebiete, die ihm fern
liegen. „Du sollst der Gemeinschaft dienstbar
sein‘ ist wieder eine der fast allen Systemen ge-
meinsamen sittlichen Pflichten. Aber die Art des
Gemeinschaftsdienstes ist eine ungemein mannig-
faltige. Jeder soll sie seinen Neigungen entspre-
chend wählen, sich aus dieser Neigung seine sitt-
liche Aufgabe stellen, und er wird selbst zum
sittlichen Charakter kommen, wenn seine Wil-
lensstärke, Urteilsklarheit, F. einfühligkeit und
Aufwühlbarkeit ausreichen. Nicht gegen unsere
Neigungen können wir zur sittlichen Höhe schrei-
ten. Nicht in der Nötigung zu einem ungern
angenommenen Zweck wurzelt allein der echte
Begriff der Pflicht, wie viele Erziehungssysteme
annehmen. Auch das Pflichtbewußtsein hat eine
Neigung zur Unterlage, eben die N eigung zum
pflichtgetreuen Handeln, die allerdings eine er-
worbene Neigung ist. Ich stimme hier völlig mit
Hermann Schwarz? überein, der da sagt, daß