Full text: Charakterbegriff und Charaktererziehung

210 X. Wesen der Charaktererziehung 
der Umgebung des Zöglings, seiner geistigen 
Veranlagung und je nach der Art des Arbeits- 
gebietes sehr verschieden —, ist diese Freiheit 
und mit ihr auch die Mannigfaltigkeit natur- 
gemäß sehr beschränkt. 
Diese Beschränkung der Freiheit beim Be- 
ginn der Charaktererziehung ist auch noch aus 
einem anderen Grunde geboten. Charakter ist im 
Grunde nichts anderes als freiwilliger Gehorsam 
gegen die Maximen, die sich durch Erfahrung, 
Belehrung und Selbstbetrachtung im Individuum 
gebildet haben, sei es, daß sie übernommen und 
dann vollständig zu eigen gemacht wurden, sei 
es, daß sie aus eigener Gesetzgebung im Bewußt- 
sein entstanden sind. Freiwilliger Gehorsam ist 
aber nur eine Form der Selbstbeherrschung. Die 
Tugend der Selbstbeherrschung und damit des 
autonomen Gehorsams wächst aber auf keinem 
anderen Boden als auf dem des heteronomen Ge- 
horsams. Wenn nicht erst Liebe zu anderen oder 
Furcht vor anderen die Gewohnheit erzeugt 
haben, sich selbst zu überwinden, wie soll das 
geistige „Ich‘‘, das erwachende und wachsende 
Bewußtsein der objektiv geltenden Werte in der 
individuellen Wertorganisation, die Macht erhal- 
ten, das sinnliche Ich, die individuelle Wertge-
	        
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