236 XI. Charaktererziehung durch die Schule
entwicklung weit stärkere Hindernisse auf ihrem
Wege findet als in der Anpassung an den Er-
werb von bloßen Kenntnissen und F ertigkeiten.
Denn Kenntnisse und Fertigkeiten sind allgemei-
ner Natur, sind bis zu einem gewissen Maße
Fabrikware, die jeder in der gleichen Qualität
sich auf dem Markte des Lebens erstehen kann,
der den nötigen Intelligenz- und Willenspreis zu
zahlen imstande ist. Der Charakter ist aber indi-
vidueller Natur. Es kann jeder nur seinen Cha-
rakter erwerben, denn nur in dem Maße, als er
sich selbst entwickelt, wird er zum Charakter ge-
langen. Es ist vielleicht richtig, wenn ich sage:
solange es keine anderen Schulen gab 'als die
reiche Schule des Lebens, in welche die Kna-
ben möglichst früh hineingeworfen wurden, war
die Charakterentwicklung im guten wie im
schlechten Sinne eine gesichertere, allgemeinere
als heute, wo ein großer Teil der Knaben- und
Mädchenzeit von der Gleichmacherei der Buch-
schule aufgezehrt wird, die allen Kindern die
gleichen Aufgaben stellt. Kenntnisse und me-
chanische Fertigkeiten können gleichzeitig 50,
So und 80 Schülern geboten werden, und jeder
erwirbt in einer gegebenen Zeit so viel, als seine
Anlagen und Neigungen es gestatten. Ja, wem