Full text: Charakterbegriff und Charaktererziehung

268 I XIII. Die Selbsterziehung 
erziehung scheiden, wie mir scheint, erworbene 
feste Gewohnheiten aus. Denn diese lassen über- 
haupt keinen Konflikt, der Selbsterziehungspro- 
bleme auslösen würde, aufkommen. Doch sind 
sie für die Selbsterziehung nicht wertlos. Sie sind 
ginesteils Geleise, vermöge welcher unser Wille 
den Wagen des Entschlusses leichter ins Rollen 
zu bringen vermag. Sie sind andernteils Reibungs- 
widerständen vergleichbar, welche verhindern, daß 
jeder beliebige Anstoß schon das Rollen veran- 
laßt. Wo wir unsere niederen Instinkte vermöge 
unserer Gewohnheiten überwinden, da liegt kein 
Akt der Selbsterziehung vor. 
Die spontan ausgelösten Triebe und Impulse 
sind. ebenso ohne Bedeutung für den Akt der 
Selbsterziehung wie die Reflexbewegungen; denn 
die Selbsterziehung setzt einen wenn auch noch 
so kurz gefaßten, auf Überlegung gestützten Plan 
voraus. Die Impulse überraschen uns aber. Sie 
lassen keine Zeit für den bewußten Willensent- 
scheid. Es bleiben also nur die Triebkräfte 
unserer Vorstellungen, unserer sittlichen An- 
schauungen, Begriffe und Maximen für die Selbst- 
erziehung übrig. Der befehlgebende Feldherr ist 
die sittliche Vorstellung. Unsere sittlichen Ge- 
wohnheiten geben dem Schlachtfelde gewisse Be-
	        
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