Vorwort.
Die Geschichte unseres höheren Schulwesens bietet, eigentlich schon
von seiner Entstehung im Reformationszeitalter an, besonders deutlich
aber im letztvergangenen Jahrhundert, das Bild eines Kampfes zweier
Bildungsrichtungen, der sprachlich-historischen und der mathematisch-
naturwissenschaftlichen. Das Zusammenströmen beider in unseren höheren
Lehranstalten ruft naturgemäß heftige Wellenbewegungen hervor. Wenn
aber auch übereifrige Wortführer der einen wie der anderen Richtung
sich nicht selten zu Äußerungen hinreißen lassen, die von vollständiger
Verkennung, vorurteilsvoller Verachtung, ja beinahe von grimmigem Haß
zeugen, so haben doch die besonneneren Vertreter beider Richtungen
stets die Unentbehrlichkeit der Bildungselemente einer jeden für die
Aufgabe der Jugenderziehung anerkannt. Sie sind daher auch bemüht
gewesen, innerhalb des Unterrichts einen gemeinsamen Boden zu schaffen,
auf dem Philologen und Historiker den Mathematikern und Naturwissen-
schaftlern einträchtig die Hand reichen. Anfangs hat man diesen Boden
in der Philosophie gesucht, die aber dem jugendlichen Geist noch zu wenig
angemessen ist, und so hat man sich mit größerem Erfolge der Geschichte
zugewendet, die tatsächlich auch ein geeigneteres Feld bietet, auf dem
die in der Mathematik und den Naturwissenschaften liegenden allgemeinen
Bildungselemente dem Schüler klar zum Bewußtsein gebracht werden
können. Die mit den Meraner Vorschlägen 1905 einsetzenden Reform-
bestrebungen auf dem Gebiete des mathematischen und naturwissen-
schaftlichen Unterrichts nehmen die Forderung, daß in diesem Unterricht
auch das geschichtliche Moment möglichst eingehend zu berücksichtigen
ist, in ihr Programm auf. In Vorträgen und Leitsätzen auf den Versamm-
lungen des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissen-
schaftlichen Unterrichts, .auch auf den internationalen Mathematiker-
kongressen findet dieser Gedanke lebhaften Widerhall. Unter den Ab-
handlungen, die ihn ausführlich behandeln, sei hier besonders auf die
von Gebhard aufmerksam gemacht, die 1908 erschienen und zwei Jahre
später in Posen zum Gegenstand eines Vortrags gemacht worden ist.
Seine Ausführungen lassen sich auch auf jeden naturwissenschaftlichen
Unterricht ausdehnen.