Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

J6 IL. Abschnitt: Das sechzehnte Jahrhundert. 
quent, wenn sie anfangs das Rechnen und die Mathematik für ihre Lehr- 
pläne nicht in Betracht zogen. Wenn wir nun aber lesen, daß Melanchthon 
1526 die Mathematik bei dem Nürnberger St. Ägidien-Gymnasium ein- 
geführt hat, wenn wir ferner in Bugenhagens Schulordnung für Hamburg 
vom Jahre 1529 die Vorschrift sehen, daß die oberste Klasse die Rudi- 
menta mathematum treiben solle, als welche speziell die Praecepta arith- 
meticae namhaft gemacht werden, so verrät dies, daß hier ein anderer 
Wille die beiden Reformatoren beeinflußte. Sie mußten jedenfalls einem 
ausdrücklichen Wunsche des Rates Folge geben, der in jenen Sitzen des 
Handels die Bedeutung und den Nutzen der Arithmetik schätzen gelernt 
hatte und wollte, daß deren Anfangsgründe auch den Knaben der Ge- 
lehrtenschule zugänglich gemacht würden. Als Lehrer der Mathematik 
wurde für Nürnberg der Dorfgeistliche Joh. Schöner gewonnen, der somit 
der erste Mathematiker gewesen ist, der an einem Gymnasium gewirkt 
hat. Er hatte sich bis dahin eigentlich nicht durch namhafte mathematische 
Leistungen ausgezeichnet, sich vielmehr durch Anfertigung guter Globen 
einen Namen gemacht, und wandte daher, als an ihn die Aufforderung 
erging, für ein Gehalt von 100 Fl. Mathematikus am St. Ägidien-Gymna- 
sium zu werden, ein, er fühle sich „der Lektur im Euklid zu geringe“. 
Allein man wußte sein Bedenken zu zerstreuen, und er hat 20 Jahre lang 
sein Amt mit großer Pflichttreue verwaltet, beim Rate der Stadt, bei 
seinen Amtsgenossen und bei seinen Schülern sich großer Achtung und 
Beliebtheit erfreut. Bis zu einer „Lektur über Euklid‘ hat er seinen Unter- 
richt nicht auszudehnen brauchen.“) 
So kam als erster Zweig der Mathematik in die Gelehrtenschulen Ham- 
burgs und Nürnbergs das Rechnen mit ganzen und gebrochenen Zahlen 
hinein, und da die Schuleinrichtungen Nürnbergs für Mittel- und Süd- 
deutschland, die Hamburgs für Norddeutschland zum Muster wurden, 
so zeigen auch die meisten späteren von Melanchthon und Bugenhagen 
entweder direkt verfaßten oder doch unter ihrem Einfluß entstandenen 
Schulordnungen ebenfalls die Arithmetik als Unterrichtsfach der obersten 
Klasse. Die Einrichtung bürgerte sich allmählich ein, so daß über die 
Hälfte aller bis zum großen Kriege entstandenen Schulordnungen die 
Arithmetik als besonderes Lehrfach aufführen. Der energische Trotzen- 
dorf (1490—1556) dehnte in seiner berühmten Goldberger Schule den 
Unterricht auf die „sphaera‘“ aus, worunter wir eine Anwendung auf 
Astronomie und mathematische Geographie, die Sphaera materialis des 
Mittelalters, zu verstehen haben, und der ehrgeizige Sturm (1507—1589); 
der das Straßburger Gymnasium zu so hohem Glanze hob, suchte ihn 
noch zu überbieten. Der Einfluß, den diese beiden großen Pädagogen 
des 16. Jahrhunderts hatten, drängte auch andere höhere Schulen vor- 
wärts, die drei von Moritz von Sachsen gegründeten Fürstenschulen St. Afra,
	        
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