Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

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III. Abschnitt: Das siebzehnte Jahrhundert. 
Als eine neue Disziplin der Mathematik wurde in diesem Zeitraum durch 
Pascal und Fermat die Wahrscheinlichkeitsrechnung begründet; um ihre 
Probleme zu bewältigen, schufen sie gleichzeitig die Kombinatorik, deren 
Anfänge in einzelnen Sätzen schon früher besprochen worden sind. Mathe- 
matische Fragen erregten in jener Zeit das Interesse aller Gelehrten und 
Philosophen; ja nicht nur bei diesen, sondern auch in höfischen und vor- 
nehmen privaten Kreisen stand die Mathematik in so hohem Ansehen, 
wie sie seitdem nie wieder erreicht hat. Sie galt wegen der ewigen Wahrheit 
ihrer Lehrsätze, der strengen Folgerichtigkeit ihrer Schlüsse und wegen des 
vielseitigen Nutzens, den sie gewährte, ganz allgemein als die vornehmste 
Wissenschaft. Mit ihren Fortschritten standen die Fortschritte der Physik 
in engem Zusammenhang. Diese fand schon um die Wende des 16, Jahr- 
hunderts in Galileo Galilei (1564—1642) den Mann, der die physikalische 
Forschung in neue Bahnen wies und der Begründer der Physik im heutigen 
Sinne des Wortes genannt zu werden verdient. Mit weiser Beschränkung 
die Frage nach dem Warum, d. h. nach den letzten Gründen der Er- 
scheinungen hinausschiebend, suchte er seine Aufgabe darin, das Wie 
zu erforschen, und machte die Physik dadurch zum Ausdruck des Tat- 
sächlichen. Hatte die alte Physik das „mens agitat molem‘“ in wörtlichem 
Sinne verstanden, so durchzieht sämtliche Arbeiten des Galilei der Gedanke, 
daß zur Erklärung physikalischer Erscheinungen keine außerhalb des 
stofflichen Gebietes liegenden Ursachen heranzuziehen sind, ein Gedanke, 
den er allerdings niemals in bestimmter Form ausspricht. Freilich konnte 
auch er sich noch nicht völlig von dem Banne früherer Anschauungen 
losmachen, wie seine Äußerungen in der Frage des horror vacui beweisen; 
allein er war doch der erste, der mit vollem Bewußtsein für die physikalische 
Forschung die Methode der Induktion verlangte und selbst in ausgedehntem 
Maße folgerichtig anwandte, der die Wichtigkeit des Messens erkannte und 
bei seinen Experimenten durch messendes Vergleichen zu Ergebnissen 
zu gelangen suchte. Er lehrte so auf induktivem Wege allgemeine Gesetze 
finden und ihre Richtigkeit durch das Experiment prüfen, benutzte das 
Experiment als eine an die Natur gerichtete Frage, um eine Antwort von 
ihr zu erzwingen, wenn es galt, die allgemeine Gültigkeit eines entdeckten 
Gesetzes dadurch zu beweisen, daß auf deduktivem Wege Folgerungen aus 
ihm abgeleitet wurden, deren Richtigkeit erst experimentell bestätigt 
werden mußte. 
Da die Tatsachen der Dynamik die sinnfälligsten sind und sich der Be- 
obachtung am leichtesten darbieten, so lag es in der Natur der Sache, daß 
die Fortschritte, welche die Physik bei der Anwendung der neuen Methode 
zunächst machte, sich auf mechanische Fragen bezogen. Hatten schon da 
Vinci und Stevin die Prinzipien der Statik fester und flüssiger Körper 
richtig erkannt, so erweiterte Galilei die Mechanik und die Grundlagen. der
	        
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