116 III. Abschnitt: Das siebzehnte Jahrhundert.
Steigen und Fallen der Flüssigkeit vom Luftdruck unabhängig machten,
allein mehr als ein halbes Jahrhundert verging in vergeblichem Bemühen,
eine brauchbare Skala ausfindig zu machen. Obwohl die Professoren der
obengenannten Akademie die Konstanz des Schmelzpunktes beim Eise
feststellten, obwohl Halley 1688 die Konstanz des Siedepunktes erkannte,
obwohl Huygens schon vorschlug, diese beiden Temperaturen als feste
Punkte einer Skala zu verwenden, schwankte man für diese zwischen der
Temperatur tiefer Keller und derjenigen schmelzender Butter, siedenden
Weingeistes und des menschlichen Blutes. Bei dem gänzlichen Mangel an
genauen Messungen konnten die zahlreichen Beobachtungen über die
Wirkungen der Wärme, die Ausdehnung und die Veränderung des Aggregat-
zustandes nicht zur Auffindung neuer Gesetze führen. Von Wichtigkeit
wurde die Beobachtung, daß der Siedepunkt vom Luftdruck abhängig ist,
und daß die Spannkraft des Wasserdampfes mit der Temperatur wächst,
eine Tatsache, die Papin (1647—1712) zur Herstellung des nach ihm be-
nannten Kochtopfes benutzte und seine auf die Erfindung einer Dampf-
maschine gerichteten Versuche veranlaßte. Über die eigentliche Natur der
Wärme stellte schon Francis Bacon (1561—1626) in seinem „neuen Organon‘
die Ansicht auf, daß sie eine Art Bewegung sei, doch war seine Ansicht
ohne Einfluß auf die physikalische Forschung der Folgezeit geblieben.
Noch war diese nicht weit genug vorgedrungen, um die alte Anschauung,
daß die Wärme ein Stoff sei, der den Körpern in größerem oder gerin-
gerem Maße innewohne, widerlegen zu können.
Hinsichtlich der elektrischen Erscheinungen war durch den Leibarzt
der Königin Elisabeth von England, Gilbert (1540— 1603), die Beobachtung
gemacht worden, daß fast alle Körper durch Reiben die beim Bernstein
schon bekannte Eigenschaft gewannen, leichte Körperchen anzuziehen;
von ihm rührt auch der Vorschlag her, die Ursache dieser Anziehung
„electricitas‘‘ zu nennen, sowie die Herstellung des ersten Elektroskops,
um die Wirkungen dieser Kraft zu prüfen. Ebenderselbe lehrte auch,
künstliche Magnete aus geglühtem Eisen durch Streichen herstellen, die
Wirkung der natürlichen Magnete durch Armierung verstärken und erklärte
die Erscheinungen der Magnetnadel dadurch, daß die Erde als ein Magnet
wirke. Guericke beobachtete zuerst die Abstoßung elektrisierter Teilchen,
und er, wie andere zeitgenössische Forscher, waren bemüht, durch Reibung
größere Mengen von Elektrizität zu gewinnen, Bemühungen, aus denen im
folgenden Jahrhundert die Elektrisiermaschine hervorging. Hinsichtlich der
Erklärung der beobachteten elektrischen Erscheinungen war man sich all-
gemein darüber einig, daß durch die Reibung unendlich feine Massen der
Materie vom Körper ausströmten, welche die anziehenden Wirkungen aus-
übten, daß dagegen die magnetische Kraft eine natürliche Eigenschaft der
Magnete sei, die ihren Sitz in einer besonderen magnetischen Materie habe.