I. Kapitel: Das saeculum mathematicum. 117
In der Akustik hatte schon Galilei erkannt, daß die Tonhöhe durch die
Schwingungszahl bedingt ist, und Versuche gemacht, die Schwingungs-
zahlen der Töne zu bestimmen. Mersenne setzte die Versuche bei schwin-
genden Saiten fort und stellte die erste Formel auf, um die Schwingungs-
zahl aus der Länge, der Dicke und der Spannung einer Saite zu berechnen.
Hatte Galilei zum ersten Male stehende Wellen beobachtet, so wurde er
auf die Erscheinung des Mittönens und der Resonanz aufmerksam. Sauveur
(1653—1716) bemerkte, daß eine schwingende Saite auch die Obertöne
ihres Grundtones geben kann, führte die Bezeichnungen Schwingungs-
knoten und Schwingungsbauch in die Wellenlehre ein, beobachtete und
erklärte die Schwebungen beim Zusammenklingen zweier Töne.
Nächst der Mechanik hat kein Zweig der Physik im 17. Jahrhundert
soviel Fortschritte aufzuweisen wie die Optik. Gleich an der Schwelle
dieses Zeitraumes steht die Erfindung der optischen Instrumente. 1608
wurde in Holland, wahrscheinlich durch Lippershey, das erste Fernrohr
mit konvexem Objektiv und konkavem Okular hergestellt. Auf die erste
Kunde hiervon konstruierte Galilei 1609 selbst ein solches und be-
nutzte es sofort zur Beobachtung der Himmelskörper. Gleich das erste
Auftreten des Fernrohrs ist daher von der Entdeckung der ersten
vier Jupitermonde, der Phasen der Venus und der Sonnenflecke durch
Galilei begleitet.®) Den Gang der Lichtstrahlen durch Linsen und Linsen-
kombinationen hat Kepler zuerst in seiner 1611 erschienenen Dioptrik
untersucht, die von grundlegender Bedeutung für diesen Teil der Optik
geworden ist. In dieser Abhandulng gibt er auch die Konstruktion des
astronomischen und des terrestrischen Fernrohrs an, deren tatsächliche
Herstellung erst zwischen 1613 und 1617 durch den Jesuitenpater Scheiner
(1575—1640) erfolgte, dessen Name ja auch in dem nach ihm benannten
Versuch zur Bestimmung der deutlichen Sehweite fortlebt. Keplers Di-
optrik enthält auch die erste richtige Theorie des Sehens, sowie die richtige
Erklärung der Kurzsichtigkeit und Übersichtigkeit.
Der Italiener Zuchi (1586—1670) stellte 1616 das erste Teleskop her,
das aus einem Hohlspiegel und einer Zerstreuungslinse bestand. 1663
schlug Gregory das nach ihm benannte Teleskop vor, wenig später Casse-
grain das seinige; beide wurden aber in der tatsächlichen Herstellung
von Newton überholt, der 1671 das seinen Namen tragende Teleskop
zur Ausführung brachte. Mit den Fernrohren und Teleskopen waren die
wichtigsten Werkzeuge zur besseren Durchforschung des Himmels ge-
wonnen. Die Ringe des Saturn und seine fünf ersten Trabanten wurden
durch Huygens und Cassini entdeckt. Der letztere unternahm die Be-
stimmung der Umlaufszeiten der Jupitertrabanten, die für die Optik durch
die dabei erfolgende Entdeckung der Lichtgeschwindigkeit durch seinen da-
maligen Assistenten Olaf Römer (1676) von großer Bedeutung wurde.)