IL Kapitel: Unterricht im 18. Jahrhundert. 177
eine richtige Vorstellung mache.‘ Diese Auseinandersetzung läßt mit
voller Deutlichkeit erkennen, daß die Vorkämpfer für die Pflege der Mathe-
matik damals schon als den wichtigsten Nutzen ihrer Wissenschaft den
betrachteten, den wir jetzt als die formale, logische Schulung des Ver-
standes, die formalbildende Kraft des mathematischen Unterrichts zu be-
zeichnen pflegen.
Unter den für die Pflege der Physik aufgestellten Gesichtspunkten
steht bei Tschirnhauß der „unglaubliche Nutzen‘ wieder obenan; nicht
etwa der Nutzen, den die Entwicklung physikalischer Einsicht für die
Ausbildung der Fähigkeiten des menschlichen Geistes hat, sondern. ledig-
lich der praktische, ökonomische Nutzen, wie er ihn sehr ausführlich in
dem dritten Teile seiner „medicina mentis‘“ auseinandersetzt. Doch sei
erwähnt, daß er unter diesem Nutzen besonders den hervorhebt, daß
durch die rechte „Erkänntniß‘“ der „actiones‘ der Natur am besten die
„magnalia Dei‘, die „Existenz, Macht, Weißheit und Providenz des gött-
lichen Wesens“ den Menschen in die Augen leuchten. Dieser Gedanke
ist kennzeichnend für die pietistische Auffassung der Physik.
Unter den „rechten Wissenschaften, die nötig zu erlernen, ehe man
solches Studium Physicum mit Nutzen sich acquirieren kann‘, erwähnt
er dann zunächst, daß man der Jugend „allerhand nützliche experienzien
weisen‘ muß. Besonders macht er dabei auf die Herstellung eines luft-
leeren oder vielmehr Iluftverdünnten Raumes aufmerksam, die „extra-
hierung der Luft‘. So verworren uns auch die Besprechung dieser rechten
Wissenschaften erscheinen mag, so geht doch daraus, daß er zuerst von
den „experienzien‘“ redet, hervor, welche Bedeutung er für den Vortrag
der Physik dem Experiment zuschreibt. Wenn er dann der Reihe nach
die Anatomie, die „Chymica“‘“, die „Docimastica oder Probierkunst der
Metalle und Mineralien‘ und das „Studium mechanicum“ erwähnt, so
zeigt uns dies wieder, wie wenig der Begriff der Physik damals geklärt war.
Hinsichtlich der Mechanik bemerkt er, daß diese zwar bei „ordinair
Gelehrten fast das allerverachtetste Studium sei, aber die „Neoterici““
hätten es in letzter Zeit in eine so hohe Würde gesetzt, „daß es fast zum
allervornehmsten worden“. Das wichtigste in der Mechanik sind ihm die
Maschinen, die er in drei Gruppen gliedert: solche, die große Lasten mit
leichter Mühe fortzubringen gestatten oder imstande sind, großen Druck
auszuüben, solche, die nicht mit menschlicher Arbeit bewegt werden,
sondern mit Wasserkraft oder durch den Wind, also die verschiedenen
Mühlen, und die Werkzeuge, welche die Künstler, Handwerker und Ge-
werbetreibenden gebrauchen. Hier tritt also das vorwiegend ökonomische
Interesse wieder klar zutage. Bemerkenswert ist, daß er empfiehlt, das
Zeichnen der Maschinen zu pflegen und die Jugend so anzuweisen, daß sie
ohne Erklärung durch die Anschauung allein die Wirkungsweise einer
Pahl, Geschichte des math. und naturw. Unterrichts. 12