Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

Il. Kapitel: Unterricht im 18. Jahrhundert. 207 
zeigen, wie der Mensch zu physikalischer Einsicht und zur Auffindung 
von Naturgesetzen gelangt. Der zweite Teil seiner Physica handelt „de 
corporibus mundi maioribus‘“, und zwar zunächst von der Sonne und den 
Planeten, dann von den Fixsternen und Kometen, worauf von der Erde 
im allgemeinen und von dem Weltsystem gesprochen wird. Dieser Teil 
bildet also einen Abriß der Astronomie und mathematischen Erdkunde. 
Bemerkenswert ist, daß er sich für das System des Koppernikus ausspricht. 
Der dritte Teil trägt die Überschrift: De terra speciatim ac corporibus 
terrestribus. Die drei letzten Kapitel dieses Teiles enthalten das, was 
Ernesti von mineralogischen, botanischen und zoologischen Kenntnissen 
auf den Gelehrtenschulen vorgetragen wissen will, und was, abgesehen 
von dem kleinen Abriß einer Anatomie des menschlichen Körpers, kaum 
die allerersten Anfänge eines Wissens auf dem Gebiete der Naturbeschrei- 
bung umfaßt. 
Die führende Stellung hinsichtlich der Pflege der Mathematik und der 
Realien im Gymnasialunterricht nimmt unter den Staaten Deutschlands 
jedenfalls Preußen ein. Wenn dies auch die bisherige Darstellung aus 
Gründen der historischen Entwicklung erklärlich erscheinen läßt, so kommt! 
hierfür doch auch noch ein persönliches Element in Betracht: die Fürsorge,| 
die Friedrich der Große dem Schulwesen widmete und die hohe Wert- 
schätzung, die dieser große Monarch für die Mathematik und die Physik! 
hegte. Er wie sein Minister Zedlitz, der seit 1771 die Leitung der preußischen 
Schulangelegenheiten in Händen hatte, waren überzeugt, daß die Physik 
die Grundlage aller Technik bilde und allein in „die wunderbare Ordnung 
und die unwandelbaren Gesetze der Natur‘ Einsicht gewähre. Daher 
verfügt Zedlitz auch in seinem Grundriß zu einer verbesserten Lehrver- 
Fassung, daß der Physik auf der obersten Stufe ebensoviel Pflege gewidmet 
werde wie der Mathematik, und wenn es auch unmöglich war, eine sofortige. 
Durchführung dieser Vorschrift auf den preußischen Gymnasien zu erreichen, 
so war damit doch eine wichtige Direktive gegeben. Wie sehr es Friedrich 
dem Großen darum zu tun war, daß Sachunterricht an die Stelle des Sprach- 
unterrichts trete, beweisen seine eingehenden Verordnungen über den 
Betrieb der Erdkunde, der Mathematik und der Mechanik an der 1765 
von ihm persönlich gegründeten Ritterakademie zu Berlin, die wiederum 
als Grundlage für die Reform der Liegnitzer Ritterakademie dienten und 
auch dem Herzog Karl Eugen von Württemberg für seine Karlsschule in 
Stuttgart vorbildlich wurden, 
Durch das Zusammenwirken aller bisher geschilderten Kräfte gewann 
gegen das Ende des 18. Jahrhunderts zunächst die Mathematik eine solche 
Bedeutung für die Gymnasialpädagogik, daß sie neben den alten Sprachen 
die dritte Säule wurde, auf welcher die gymnasiale Bildung ruhte. Daneben. 
hatten aber auch die Physik und die Naturbeschreibung schon solche
	        
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