Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

216 IV. Abschnitt: Das achtzehnte Jahrhundert. 
folgt eine kurze Anwendung aufs Feldmessen. In der Stereometrie werden 
zunächst Sätze über die Lage der Geraden im Raum, über Ebenen und 
ihre Lagen zueinander sowie über Schnitte von Ebene und Kugel gebracht, 
ehe die Berechnung der Körper gelehrt wird. An die ebene Trigonometrie 
schließt sich die sphärische, in der sowohl das rechtwinklige wie das schief- 
winklige Kugeldreieck behandelt wird. Für die Berechnung ihrer Stücke 
aus drei gegebenen sind Proportionen aufgestellt und in einer Tabelle 
angeordnet, Was Kästners Lehrbuch besonders vor dem Auszuge Wolffs 
auszeichnet, ist die Anwendung von Formeln. Während dieser bei jeder 
Aufgabe die Operationen einzeln aufzählt, die zu ihrer Lösung führen, 
macht Kästner schon einen umfangreichen Gebrauch von Buchstaben- 
ausdrücken, aus denen der Verlauf der zur Lösung notwendigen Rechnungen 
unmittelbar zu entnehmen ist. Die Bezeichnung Formel findet sich bei ihm 
noch nicht. Kästner hatte seine Anfangsgründe ursprünglich nicht für den 
Gebrauch auf Schulen sondern für seine akademischen Vorlesungen be- 
stimmt, an welchen die Studenten aller Fakultäten teilnahmen. Es kenn- 
zeichnet den großen Fortschritt, den die Pflege der Mathematik im Schul- 
unterricht gemacht hatte, daß sein Buch in den drei letzten Dezennien 
des 18. Jahrhunderts als Schulbuch sich einbürgerte. 
Die Wandlung, die sich im Laufe jenes Zeitraums allmählich in der 
Auffassung von der Aufgabe des mathematischen Unterrichts und in der 
Wertschätzung der reinen Mathematik vollzog, macht sich auch in dem 
Erscheinen von Lehrbüchern bemerklich, die speziell die letztere behandeln. 
1773 gab der Leipziger Kantor Funck seine „Anfangsgründe der Mathe- 
matik‘“ und im gleichen Jahre der Wittenberger Professor Ebert seine 
„Unterweisung in philosophischen und mathematischen Wissenschaften“ 
heraus. Beide waren, wie der Titel besagt, für den Gebrauch an Schulen 
und Gymnasien bestimmt; das letztere war z. B. an der Schule zu Stendal 
in Gebrauch. Es sei bemerkt, daß sich in diesem zum erstenmal der Begriff 
des Hauptnenners findet. 1776 und 1777 erschienen die Anfangsgründe 
der Arithmetik, Algebra, Geometrie und Trigonometrie des Superinten- 
denten und Leiters der Klosterschule zu Amelunxborn Haeseler; 1790 ließ 
er ihnen die sphärische Trigonometrie, die Kegelschnitte und ihre Anwen- 
dung folgen. 1780 gab Michelsen, Professor der Mathematik am Köllnischen 
Gymnasium zu Berlin, seine Anfangsgründe der reinen Mathematik heraus; 
1791 erschien „der erste Kursus der reinen Mathematik‘ des Helmstädter 
Professors Lorenz,.als Lehrbuch an der Schule zu Kloster Bergen gebraucht. 
1796 erschienen die „Anfangsgründe der reinen Mathematik‘ von Vieth, 
die als ein besonders gutes Lehrbuch gerühmt werden. Mit dem „„Grundriß 
der reinen Mathematik‘ vom Jahre 1803, den Thibaud nach Kästners Tode 
seinen Vorlesungen an der Universität Göttingen zugrunde legte, ist dann 
der Anschluß ‚von den folgenden Zeitraum erreicht.
	        
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