II. Kapitel: Unterricht im 18. Jahrhundert. 221
Die Dioptrica gibt zunächst die Brechung von Luft in Glas und die
Konstruktion des gebrochenen Lichtstrahls für das Brechungsverhältnis
3/2. Die Brechung von dünneren in das dichtere und von dichteren in das
dünnere Medium wird sorgfältig erörtert. Der Gang der Lichtstrahlen durch
parallele Platten, durch Sammel- und Zerstreuungslinsen wird geometrisch
verfolgt und die Lage der Bilder bei den Linsen gezeigt. Darauf wird die
Vereinigung der Linsen zu einem Tubus (Fernrohr) durchgenommen, und
es folgt die Beschreibung des „galliläischen oder holländischen“‘‘, des astro-
nomischen und des terrestrischen Fernrohrs. Bei allen werden auch Maß-
angaben über Radien der Linsenflächen, Entfernung von Okular und
Objektiv gemacht; die Berechnung dieser Größen wird, als zu schwer,
nicht gezeigt. Die Vergrößerung wird lediglich experimentell, und auch die
nur ziemlich oberflächlich, ermittelt. Über die Abblendung der Linsen
werden einige praktische Ratschläge gegeben. Nachdem noch die Lupe,
das Mikroskop und die Laterna magica ihre gebührende Würdigung erfahren
haben, schließt Wolff seine. Dioptrik mit einer Anweisung zum Glas-
schleifen und zur Herstellung von Glaslinsen.
So sehr man heutzutage geneigt ist, über die Aufklärungsphilosophen
absprechend zu urteilen, so muß man doch zugeben, daß Wolff in seinem
Auszuge mit Einsicht, Geschick und weiser Beschränkung auf das Wich-
tigste und Nützlichste den physikalischen Lehrstoff zusammengestellt hat,
um den Schülern das zu bieten, was wir einen propädeutischen Kursus in
der Physik nennen würden. Daß die Elektrizität in dem 1717 erschienenen
Auszug fehlt, braucht uns nach dem im vorigen Kapitel gegebenen Abriß
der Geschichte der Physik nicht wunderzunehmen. Auch die Akustik
konnte füglich noch ausgeschlossen werden, zumal die Schüler in der Musik
das Wissenswerteste über die Töne und Tonverhältnisse erfuhren... Von
der Voraussetzung ausgehend, daß tatsächlich sämtliche hier besprochenen
physikalischen Abschnitte des Auszugs vollständig im Unterricht durch-
genommen worden sind — eine Voraussetzung, die übrigens in den meisten
Fällen wohl nicht zutrifft —, darf man über das, was Francke und die
Gymnasien, an denen der Wolffsche Auszug eingeführt war, den Schülern
bei ihrem Eintritt ins Leben an physikalischem Wissen mitgaben, durch-
aus nicht geringschätzig urteilen.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist außer Wolffs Auszug kein
nennenswertes Schulbuch erschienen, das der Physik Rechnung trug. Allein
von der Mitte dieses Zeitraums ab erscheinen eine Menge von Lehrbüchern,
die sich schon in ihrem Titel als Leitfäden der „Naturlehre‘‘ oder der
„Physik‘“ bezeichnen. Die wichtigsten von ihnen seien hier in chrono-
logischer Reihenfolge zusammengestellt, wobei die deutschen Übersetzungen
fremdsprachlicher Lehrbücher außer acht gelassen sind. Segner: Einleitung
in die Naturlehre, Göttingen 1749. Crusius: Anleitung über die natürlichen