Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

I. Kapitel: Leistungen und Kulturfortschritt im saeculum historicum. 237 
barer Weise die Lehre von den Determinanten, die schon 1750 von Cramer 
begründet wurde, während die Bezeichnung Determinante erst von Gauß 
herrührt. Dirichlet (1805—1859), der Nachfolger des princeps matheseos auf 
dem Lehrstuhl in Göttingen, wandte dann mit Erfolg die Infinitesimalrech- 
nung auf Probleme der Zahlentheorie an, stellte nach Fouriers Vorgange ganz 
willkürliche Funktionen durch sinus und cosinus-Reihen dar und förderte 
die Potenzialtheorie. Die beiden letzten Gebiete wurden auch von Riemann 
(1826—1866) ausgebaut, der ebenfalls die Lösung partieller Differential- 
gleichungen förderte und für das Studium der Funktionen mit komplexen 
Veränderlichen ganz neue Betrachtungsweisen erfindet. Kummer (1810 bis 
1892) bereichert die Zahlentheorie um die Lehre von den idealen Zahlen, die 
er einführt, um den Beweis des berühmten Fermatschen Satzes, daß die 
Gleichung a” + b" = c" für n >2 unmöglich ist, auf unendlich viele Zahlen n, 
wenn auch noch nicht auf alle n, auszudehnen. Weierstraß (1815—1897) 
stellt die Lehre von den Funktionen auf eine ganz neue Basis und schafft 
die Grundlagen der heutigen Funktionentheorie. Kronecker (1823— 1891) 
wendet die Theorie der elliptischen Funktionen mit Erfolg auf zahlentheo- 
retische Probleme und die Lösung der Gleichung 5. Grades an. Die höhere 
Mathematik erweitert sich zu einem immer gewaltigeren Bau, und deutsche 
Mathematiker arbeiten am eifrigsten in den vordersten Reihen an dieser 
Erweiterung mit. Von den hier genannten großen Förderern der höheren 
Mathematik schenkt jedoch keiner der Pflege der Elementarmathematik 
auf den höheren Schulen besondere Aufmerksamkeit. Erst ganz am Aus- 
gang des Jahrhunderts beginnt sich hierin eine Wandlung bemerkbar zu 
machen, beginnen Hochschullehrer wieder den Betrieb der Mathematik auf 
den Schulen in den Kreis ihrer Interessen zu ziehen. 
Als eine neue Disziplin der Mathematik wird von Poncelet (1788 — 1867) 
die projektive oder synthetische Geometrie begründet, die in Deutschland 
Jakob Steiner (1790—1800), einer der größten Geometer aller Zeiten, in 
vollendeter Weise ausbaut. Auf Steiners Wirksamkeit ist das lebhafte 
Interesse zurückzuführen, das deutsche Mathematiker das ganze Jahr- 
hundert hindurch der Pflege der synthetischen Geometrie entgegenbringen; 
auf Steiner ist es auch zurückzuführen, daß der Satz vom vollständigen 
Vierseit — ein ebenfalls von Steiner in die neuere Geometrie eingeführter 
Begriff — die Lehre von den harmonischen Punkten und Strahlenbüscheln, 
von der Potenz und der Potenzlinie, von Pol und Polare, die wichtigsten Sätze 
über projektivische Punktreihen und Strahlenbüschel, der Satz von Paskal 
und der 1823 entdeckte Satz von Brianchon wie auch die projektivische 
Behandlung der Kegelschnitte Eingang in das pflichtmäßige Lehrgebiet 
unserer höheren Schulen gefunden haben. 
Ebenfalls eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts ist die nichteuklidische 
Geometrie, deren Grundlagen auf Gauß zurückgehen. Dieser wandte sich
	        
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