Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

I. Kapitel: Kenntnisse der Alten. 
viele Anhänger zählenden Forderung, daß zur Lösung geometrischer 
Aufgaben ausschließlich Lineal und Zirkel gebraucht werden dürfen, kann 
sich dem beherrschenden Einfluß des Problems der Würfelverdoppelung 
doch nicht entziehen und weicht ihm zuliebe von seinem Grundsatz ab, 
indem er ein Instrument ersinnt, das in genialer, einfacher Weise tatsäch- 
lich jene zwei mittleren Proportionalen zu finden ermöglicht. Die von 
ihm angegebene Lösung zeigt seine hohe mathematische Begabung, jedoch 
liegt seine eigentliche Bedeutung für die Entwicklung der Mathematik, 
die gar nicht hoch genug angeschlagen werden kann, mehr auf philo- 
sophischem Gebiet. Platos Lehrmeister waren die Pythagoreer gewesen, 
wie er sich als ihr Schüler in der Behandlung des pythagoreischen Lehr- 
satzes und in seiner Lösung des Problems der Auffindung pythagoreischer 
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Zahlen zeigt — bedeutet a eine beliebige gerade Zahl, so sind 7 — 1, a, 
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z+1 Katheten und Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks —, so 
stellt er auch wie sie die Mathematik als die höchste Wissenschaft hin. 
Seine hohe Wertschätzung derselben bekundet ja auch die Inschrift, die. 
er über den Eingang seines Hauses anbringen ließ: „Kein der Geometrie 
Unkundiger trete unter mein Dach!‘“ Gleichwohl hat er keine mathe- 
matische Schrift hinterlassen. Ihm war die Mathematik ein wichtiger 
Teil seiner Philosophie, speziell seiner Ideenlehre. Mit Vorliebe nahm er 
die Beispiele seiner philosophischen Erörterungen aus der Geometrie, 
Ihm gebührt das Verdienst, jeden Satz auf seine Vordersätze zurückge- 
führt zu haben, bis er schließlich zu den Grundlagen der Geometrie ge- 
langte, die keines Beweises mehr bedürfen, zu den Axiomen; er formulierte 
zuerst in strenger Weise die Definitionen, von denen noch viele in der 
von ihm gegebenen Form bis in die Gegenwart hinein gültig geblieben 
sind. Er hat die analytische Methode und den indirekten Beweis ein- 
geführt; er ist das Vorbild, dem Euklid folgte, als er der Geometrie in seinen 
„Elementen‘ die vollendete wissenschaftliche Gestalt gab. Seine Be- 
geisterung für die Mathematik wußte er auf viele fähige Schüler zu über- 
tragen. In der platonischen Schule pflegte man besonders die Stereo- 
metrie, über deren unbefriedigenden Zustand Platon selbst sich so bitter 
ausgesprochen hatte; in ihr fand man die wichtigen Sätze, daß die Pyra- 
mide gleich dem dritten Teil eines Prismas von gleicher Grundfläche und 
Höhe ist und daß die Rauminhalte zweier Kugeln sich wie die Kuben ihrer 
Durchmesser verhalten: noch heutzutage heißen ja auch die fünf regel- 
mäßigen stereometrischen Körper die fünf platonischen Körper. In der 
Schule Platons gelangte man auch durch die Beschäftigung mit dem 
delischen Problem auf neue Kurven, die mit dem Namen Parabel, Ellipse: 
und Hyperbel belegt wurden. 
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