Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

308 V. Abschnitt: Das neunzehnte Jahrhundert. 
Wahrheit anregt“. Beide setzen in ihrem Lehramt ihre ganze Persönlich- 
keit ein, geben in ihrem Unterricht das Köstlichste, was der Mensch be- 
sitzt: das eigene Selbst. Wie sehr aber die Persönlichkeit das A und das 0 
eines erfolgreichen mathematischen Unterrichts ist, das zeigt der Bericht, 
den Paulsen, der um dieselbe Zeit, wo Schellbach in seiner Programm- 
abhandlung den „begeisterten Hymnus auf die Mathematik“ erscheinen 
läßt, die Reifeprüfung am Christianeum in Altona besteht, von dem da- 
maligen mathematischen Unterricht an jener Anstalt gibt, die doch zu 
den Eliteanstalten Holsteins gerechnet wurde. 101) 
Auf T. Müller und Schellbach ist namentlich die in den letzten vier 
Dezennien sich immer deutlicher bemerkbar machende Bewegung zurück- 
zuführen, die auf eine Verbesserung der mathematischen Unterrichts- 
methode hinarbeitet und diese schließlich von dem „ehernen Hemmschuh“ 
der euklidischen Behandlungsweise befreit. Seit 1870 entstehen in immer 
reicherer Fülle die Abhandlungen, die eine Verbesserung des Unterrichts 
in allen Zweigen der Elementarmathematik anstreben und die Zeugnis 
ablegen, welch ernstes Streben die Lehrer der Mathematik an den höheren 
Schulen beseelt, welchen Eifer, welche Arbeit sie aufwenden, um die Be- 
bauung ihres Unterrichtsfeldes so fruchtbar als möglich zu gestalten. Im 
Jahre 1870 wird auch ein eigenes Organ für diese Bemühungen geschaffen, 
Hoffmanns_„Zeitschrift_ für mathematischen und naturwissenschaftlichen 
Unterricht“, die sich speziell folgende Ziele stellt: Prinzipien der Organi- 
sation des mathematischen Unterrichts, Pflege und Vervollkommnung der 
Lehrmethode, Besprechung der Lehr- und Anschauungsmittel, Entwick- 
lung des Bildungsgehaltes und Bildungswertes der exakten Wissenschaften 
als einer Ergänzung des Bildungsgehaltes der sprachlichen Wissenschaften, 
Die Literatur über den planimetrischen Unterricht hat H. Schotten, der 
1901 die Leitung dieser Zeitschrift übernimmt, in seinem äußerst verdienst- 
vollen Werke: Inhalt und Methode des planimetrischen Unterrichts (1. Bd. 
1890, 2. Bd. 1893) zu einer vergleichenden Planimetrie zusammengestellt, 
So werden am_ Ausgang des Jahrhunderts für den Betrieb des mathe- 
matischen Unterrichts, den Rethwisch Kurz als eine genetische Ausbildung 
des Systems bei analytischer Beweisführung und juristischem Lehrver- 
fahren charakterisiert 102), folgende Prinzipien maßgebend: Möglichst sorg- 
Fältige Behandlung des Anfangsunterrichts, völlige Einsetzung der An- 
schauung in ihre Rechte, Verlegung des Schwerpunktes des mathemati- 
schen Unterrichts in die Geometrie, Beginn des Unterrichts in der Geo- 
metrie vor dem in der allgemeinen Mathematik, Vermeidung von Defi- 
nitionen, wo die Anschauung ausreicht, Sorgfalt bei der Einführung der 
geometrischen Grenzbegriffe, Einschränkung der Beweise auf die unum- 
gänglich notwendigen, schrittweise Entwicklung der Gedanken, die zur 
Aufstellung eines Lehrsatzes geführt haben, Anleitung der Schüler zur
	        
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