310 V. Abschnitt: Das neunzehnte Jahrhundert.
Universität anzusehen, sondern seine Aufgabe mehr in der Förderung der
Wissenschaft selbst und ihrer Methoden, sowie in der Ausbildung der
Studierenden für selbständige, wissenschaftliche Arbeiten auf dem Ge-
biete der Experimentalphysik zu suchen. So wird allmählich aus dem
bloßen Demonstrationsapparat ein wissenschaftliches Institut. Es ist
charakteristisch, daß mit der Einrichtung physikalischer Laboratorien und
der Einführung eines physikalischen Praktikums für Studierende die tech-
nischen Hochschulen den Anfang machen. 1853 richtet Eisenlohr am
Polytechnikum in Karlsruhe die ersten praktischen Laboratoriumsübungen
ein.1!%) Die Übungen, die Jolly 1846 in Heidelberg und etwas später Magnus
in Berlin in ihren Privatwohnungen einrichteten, sind noch keine solchen
praktischen Übungen im Sinne Eisenlohrs und auch der späteren Zeit,
sondern dienen privaten Spezialuntersuchungen von Studierenden, oft. zum
Zwecke einer Doktor-Arbeit über gewisse Fragen der Physiologie und der
Physik. Die erste Universität, die der von Karlsruhe ausgehenden An-
regung folgt, ist Göttingen, wo Weber, der seit 1831 dort neben Gauß
wirkt, das physikalische Praktikum einführt, damit der Student in metho-
dischem Gange die für eingehende Untersuchungen notwendigen Methoden
der experimentellen Physik: Längenmessung, Kalibrieren, Zeitbestimmung,
Wägung usw. durch praktische Übung kennen lernt. Diesem Beispiel folgen
dann in den folgenden Jahrzehnten alle deutschen Universitäten, in deren
physikalischen Instituten sich ebensoviele Zentren gesteigerter physikali-
scher Forschung heranbilden.
Ein Abbild dieses Hochschulbetriebes der Physik bietet der Physik-
unterricht der höheren Lehranstalten. Die, seit 1800 immer regelmäßiger,
alljährlich von jeder Anstalt veröffentlichten Berichte hallen wider von
den Klagen über den „durchaus nicht angemessenen oder gar „höchst
kläglichen‘““ Zustand des physikalischen Apparats. Noch 1828 heißt es im
Programm des Werderschen Gymnasiums von Berlin, daß der „zurzeit
noch planlos angelegte und durchaus unvollständige physikalische Apparat
systematisch vervollständigt werden muß‘. Ob nicht auch heutzutage
noch die Sammlung vieler physikalischen Kabinette als „Dlanlos angelegt“
dezeichnet werden muß?
Im dritten und vierten Jahrzehnt erhalten dann viele Gymnasien vom
Ministerium den so lange ersehnten „physikalischen Apparat“, für dessen
Herstellung neben den Berliner Firmen: Gebr. Müller, Winckler, Pistor
und Schick noch der „Mechanikus Körner“ aus Jena namhaft gemacht
wird. Er wird in zwei verschiedenen Größen hergestellt. Quedlinburg,
das 1825 noch den gänzlichen Mangel eines physikalischen Kabinetts
beklagt, erhält 1827 einen Apparat der kleinen Art zum Preise von 165%
Talern, der folgende Teile enthält: Zweistieflige Luftpumpe, Fallapparat,
Glockenwerk, Speidelflasche, Quecksilberheber, Pressungszylinder, Appa-