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I]. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
Bezeichnungen des Zahlensystems weit über das gebräuchliche Maß hinaus
systematisch aus, summierte geometrische Reihen und die aufeinander-
folgenden Quadratzahlen, beschäftigte sich sogar mit stereometrischen
Problemen, die auf kubische Gleichungen führen, und zeigt durch alle diese
Leistungen eine Tiefe mathematischer Einsicht und Höhe des mathe-
matischen Könnens, wie kein antiker Mathematiker vor ihm oder nach ihm.
Das von ihm mit Meisterschaft gehandhabte Exhaustionsverfahren hat
schon Ähnlichkeit mit unserer heutigen Integrationsmethode. Obwohl
Archimedes in Syrakus lebte, gehörte er doch durch seinen Lehrer Konon
dem alexandrinischen Gelehrtenkreis an und stand auch mit dem in
Alexandria lebenden Eratosthenes (276—194) in lebhafter Korrespondenz.
Dieser bedeutende Mann, gleich groß als Mathematiker, Astronom, Geo-
graph und Geschichtsforscher, hat sich in der Zahlenthorie durch seine
Methode, sämtliche Primzahlen zu finden, bekannt gemacht, in der Geo-
metrie durch das von ihm zur Auffindung der zwei mittleren Proportionalen
und somit zur Lösung des Problems der Würfelverdoppelung ersonnene
Mesolabium genannte Instrument. Seine Leistungen werden uns ebenso
wie die des Archimedes noch an anderer Stelle ausführlich beschäftigen.
Apollonios aus Pergae in Pamphylien (+ 170 v. Chr.) hat seinen Namen
durch seine 8 Bücher über die „Kegelschnitte‘“ unsterblich gemacht, die
ihm erst die Namen Parabel, Ellipse, Hyperbel verdanken. Hatten Menäch-
mos, Aristaeos, Euklid stets nur solche Schnitte betrachtet, die senkrecht
zur Seitenkante eines Kreiskegels liegen und somit drei Kegel, einen recht-
winkligen, spitzwinkligen und stumpfwinkligen, nötig gehabt, um Parabel,
Ellipse und Hyperbel als Kegelschnitte entstehen zu lassen, zeigte Apollonios
fast genau in der Weise, wie wir es heutzutage in unseren Schulen vor-
tragen, daß alle drei Kurven als Schnitte eines und desselben Kreiskegels
entstehen können. Sein Name lebt ja auch noch in dem nach ihm benannten
Berührungsproblem sowie in dem als Apollonischer Kreis bezeichneten
geometrischen Ort fort.
Mit den Leistungen des Euklid, Archimedes, Eratosthenes, Apollonios
hat die antike Mathematik ihren Höhepunkt erreicht, den zu überschreiten
sie der Mangel allgemeinerer Methoden hinderte. Dieser Mangel macht es
erklärlich, daß auch die Epigonen jener vier Männer bei aller mathemati-
schen Begabung ihre Wissenschaft doch nicht auf eine höhere Stufe empor-
heben, sondern nur noch einzelne neue Entdeckungen machen konnten,
daß statt eines Vorwärtsschreitens sich ein allmählicher Rückschritt be-
merkbar zu machen beginnt. Nikomedes (um 70 v. Chr.) erfindet zur
Lösung des delischen Problemes die Konchoide, eine Kurve vierten Grades,
und auch eine praktische Vorrichtung, um sie in fortlaufendem Zuge
zu zeichnen. Diokles verwendet, etwa um dieselbe Zeit, zur Lösung der-
selben Aufgabe die Zissoide; daß jedoch beide Kurven, sowohl die „‚Muschel-