Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

II. Kapitel: Unterricht unter dem Einfluß der staatlichen Verfügungen. 319 
physikalischen Kabinetts, seine Erweiterung und Unterhaltung vorgesehen 
hat. Die Auffassung Fischers, daß die experimentelle Vortragsweise darum 
vorzuziehen sei, weil die rein mathematische auf den höheren Schulen zu 
schwer ist, wird bald von der Schellbachs überholt, der den experimentellen 
Vortrag zum Mittelpunkt des. Physikunterrichts gemacht wissen will, weil 
nur durch ihn der Schüler Einsicht in die wahre Bedeutung der Natur- 
gesetze und sicheres physikalisches Wissen erlangt. Als dann nach der 
gewaltigen Kraftanstrengung des Krieges von 1870/71 ein vorher kaum 
geahnter wirtschaftlicher Aufschwung eintritt, der den Wohlstand Deutsch- 
lands in bedeutender Weise steigert, werden auch die Mittel, die der 
Pflege der Physik auf den. höheren Schulen zugewendet werden können, 
immer reichlicher, und so erweitert sich die Auffassung von der Aufgabe 
des Physikunterrichts dahin, daß er nicht nur Einsicht in die Gesetze, 
sondern auch in die Methoden gewähren soll, durch deren Anwendung 
man zur Auffindung des Gesetzmäßigen innerhalb einer Naturerscheinung 
gelangt, daß dem Schüler klar zum Bewußtsein gebracht wird, auf welche 
Weise der Mensch eine sichere Erkenntnis auf physikalischem Gebiet 
erworben hat, und welches die eigentlichen Grundlagen alles menschlichen 
Wissens überhaupt sind. Diese Auffassung bildet sich infolge einer erst 
im vorletzten Dezennium des 19. Jahrhunderts beginnenden Bewegung, 
heraus, die der Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts ge- 
widmet ist und die auch in der Herausgabe der Poskeschen Zeitschrift 
für den physikalischen und chemischen Unterricht (seit 1887) und in der 
Gründung des „Vereins zur Förderung des mathematischen und natur- 
wissenschaftlichen Unterrichts‘ ihren Ausdruck findet, der seinerseits 
1895_sich ein besonderes Organ in den „Unterrichtsblättern für Mathe- 
matik und Naturwissenschaften‘“ geschaffen hat, die unter Mitwirkung 
von Schwalbe begründet sind und von Pietzker herausgegeben Wwer- 
den.) Der Verein und beide Zeitschriften haben sich unbestreitbar be- 
deutende Verdienste um die Förderung des Physikunterrichts erworben, 
die sich am Ausgang _des_Jahrhunderts--in--vierfacher _Hinsicht geltend 
machen. 1. Auf Schwalbes Anregung wurden 1891 in Berlin die sogenannten 
Ferienkurse eingerichtet, die dazu bestimmt sind den im Amte stehenden 
Lehrern Gelegenheit zu geben, mit den neuesten Ergebnissen der natur- 
wissenschaftlichen Forschung bekannt zu werden. 2. Die Hineinziehung 
des absoluten Maßsystems in den Unterricht an den höheren Schulen. 
3. Die Aufstellung eines Normalverzeichnisses für die physikalischen 
Sammlungen höherer Lehranstalten, das außer den Sammlungszimmern, 
Glasschränken, Verdunkelungsvorrichtungen, Experimentiertischen und 
deren Zubehör, lediglich für Apparate und Handwerkszeug für die Erst- 
einrichtung eines physikalischen Kabinetts eine Summe von rund 3000 M. 
als unbedingt notwendig fordert, für die vollkommene Ausstattung weitere
	        
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