Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

IL Kapitel: Unterricht unter dem Einfluß der staatlichen Verfügungen. 325 
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9. Der jetzt bestehende Mangel geeigneter Lehrkräfte wird verschwinden, 
sobald sich den Studierenden die Aussicht eröffnet, die für Oberklassen 
erworbene Facultas docendi in den beschreibenden Naturwissenschaften 
in ihrem späteren Lehramte auch wirklich ausnützen zu können.“ 
Als Bundesgenossen gewinnen die Biologen auf der Naturforscher- 
versammlung zu Kassel 1903 die Mathematiker, deren Wortführer, F. Klein, 
die Hamburger Thesen zusammen mit den Wünschen der Mathematiker 
zum Gegenstand der Beratungen der Kasseler Versammlung macht, ihr 
Ergebnis ist der Beschluß, die Gesamtheit der Fragen des mathematisch- 
naturwissenschaftlichen Unterrichts bei nächster Gelegenheit zum Gegen- 
stand umfassender Verhandlungen zu machen. So sind zu Beginn des 
neuen Jahrhunderts die Mathematiker und Naturwissenschaftler ein- 
trächtig bei der Arbeit, die in ihren Lehrfächern liegenden allgemeinen 
und ethischen Bildungselemente innerhalb des Unterrichts an den höheren 
Lehranstalten zu gebührender Geltung zu bringen. 
Der mineralogische Unterricht nimmt den staatlichen Lehrplänen 
entsprechend im ganzen Jahrhundert keine selbständige Stellung ein, 
sondern wird in den Gymnasien im Physikunterricht, an den Realanstalten 
als Anhängsel des Chemieunterrichts behandelt. Allgemein wird daher 
geklagt, daß die für ihn verfügbare Zeit durchaus nicht dem Bildungs- 
werte der Mineralogie entspricht, und diese als das „Stiefkind unter den 
naturwissenschaftlichen Lehrfächern‘“ bezeichnet. Obwohl man wieder- 
holt, auch auf den Direktorenkonferenzen, die Fragen des mineralogischen 
Unterrichts erörtert hat, so ist weder die Stoffauswahl einheitlich geregelt 
noch die Methode so gut entwickelt, wie in den andern naturwissenschaft- 
lichen Lehrfächern. Diese Mängel sind auch deutlich an den verschiedenen 
Lehrbüchern der Mineralogie erkennbar. Bleibt so hinsichtlich der Mine- 
ralogie viel zu wünschen übrig, so ist dies in noch höherem Maße bei der 
Geologie der Fall, die an vielen höheren Lehranstalten überhaupt nicht 
als Unterrichtsfach erwähnt wird. Wo aber in der Geologie Unterricht 
erteilt wird, da bildet die nächste Umgebung, Gestein, Boden und Flüsse 
der Heimat, den Ausgangspunkt. Gerade die mit Recht erhobene Forde- 
rung, daß für den geologischen Unterricht „die freie Natur unsere Schul- 
stube, die Erdrinde unser Laboratorium“ sein muß, macht die erfolg- 
reiche Durchführung dieses Unterrichts schwierig, in großen Städten 
zum Teil unmöglich. 
Daß man am Ausgang des Jahrhunderts in den Schulen der Geologie 
größere Aufmerksamkeit schenkt, hängt mit der Wandlung zusammen, 
die sich in der Auffassung der Geographie vollzieht. Dreiviertel des Jahr- 
hunderts hindurch bleibt der erdkundliche Unterricht von dem geschicht- 
lichen beherrscht. Wie es an den Universitäten noch keine ‚Lehrstühle 
der Geographie gibt, die Lehramtskandidaten in der Erdkunde von dem
	        
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