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Schlußbetrachtung.
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matisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts wird der Göttinger Professor
F. Klein, Außer ihm!) gehören noch einige Universitätsprofessoren,
Ingenieure, Techniker und fünf Schulmänner der Kommission an (Fricke,
Pietzker, Poske, Schmid, Schotten). Schon im nächsten Jahre legt die
Kommission als Ergebnis ihrer Beratungen der Naturforscherversammlung
in Meran ihre Vorschläge vor, die unter dem Namen Meraner Vorschläge
zielweisend für die Reformbestrebungen geworden sind. An der Spitze
dieser Vorschläge stehen drei allgemeine Leitsätze: 1. Die höheren Lehr-
anstalten sollen weder eine einseitig sprachlich-geschichtliche noch eine
einseitig mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung geben. 2. Die
Mathematik und Naturwissenschaften sind als den Sprachen durchaus
gleichwertige Bildungsmittel anzusehen, und an dem Prinzip der spezifischen
Allgemeinbildung der höheren Schulen ist festzuhalten. 3. Die tatsächliche
Gleichberechtigung aller höheren Schulen ist durchaus notwendig und
daher vollständig durchzuführen. Hinsichtlich der Mathematik wird als
das Lehrziel der höheren Schulen ein dreifaches hingestellt: ein wissen-
schaftlicher Überblick über die Gliederung des Lehrstoffs, eine gewisse
Fähigkeit der mathematischen Auffassung und ihrer Verwertung für die
Durchführung von Einzelaufgaben, endlich und vor allem die Einsicht
in die Bedeutung der Mathematik für die exakte Naturerkenntnis und die
moderne Kultur überhaupt. Zur Erreichung dieses Lehrziels soll der
mathematische Unterricht von drei Grundgedanken beherrscht werden:
„den Lehrgang mehr als bisher dem natürlichen Gange der geistigen Ent-
wicklung anzupassen‘“ — also ein psychologisches Prinzip —, „die Fähigkeit
zur mathematischen Betrachtung der uns umgebenden Erscheinungswelt
zur möglichsten Entwicklung zu bringen‘ — utilitarisches Prinzip — und
„den Zusammenhang des Wissens in sich von Stufe zu Stufe mehr und
mehr zu einem bewußten zu machen‘“ — didaktisches Prinzip. Unbe-
schadet des Wertes der Mathematik für die logische Durchbildung wird
daher die Hauptaufgabe des mathematischen Unterrichts: Stärkung des.
räumlichen Anschauungsvermögens ‚und Erziehung der Gewohnheit _zum
funktionalem Denken. Damit ist das Schlagwort geprägt, mit dem man
das Ziel der Reformbestrebungen kurz zu bezeichnen pflegt. Der Funktions-
begriff soll in den Mittelpunkt des mathematischen Unterrichts gestellt
werden; da Differenzial- und Integralrechnung nun wichtige Hilfsmittel
bieten, um den ganzen Verlauf einer Funktion und die Art ihrer Änderung
deutlich zu erkennen, so wird auch die Hineinziehung der Elemente der
Infinitesimalrechnung in das Pensum der höheren Schulen befürwortet.
Für_den Physikunterricht werden ebenfalls drei Grundsätze aufgestellt:
I. Die Physik ist im Unterricht nicht als mathematische Wissenschaft,
sondern als Naturwissenschaft zu behandeln. 2. Die Physik als Unter-
richtsgegenstand ist so zu betreiben, daß sie als Vorbild für die Art, wie