20
I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
werden wieder in sechzig kleine Teile der zweiten Ordnung zerlegt. Die
lateinische Übersetzung dieser Unterteilung, partes minutae primae und
partes minutae secundae, hat dann zu der späteren Bezeichnung Minuten
und Sekunden für die Unterteilung der Grade eines Winkels Anlaß gegeben.
Für die Zwecke der Astronomie schuf Ptolemäus seine sphärische Trigo-
nometrie, in der nur rechtwinklige Dreiecke in Betracht gezogen werden;
mit Hilfe des Satzes von Menelaos leitet er für diese alle bekannten Sätze
der Neperschen Regel her. Die ebene Trigonometrie sowie die trigono-
metrischen Funktionen unserer heutigen Trigonometrie finden wir im
Altertum noch nicht,
Die antike Arithmetik weist einen bedeutenden Fortschritt in den
Leistungen des Nikomachus von Gerasa (um 100 n. Chr.), der nach Simons
Urteil für die griechische Arithmetik das leistete, was Euklid für die Geo-
metrie.°*) Er machte sie von der bisherigen geometrischen Einkleidung
unabhängig, stellte ein wohlgefügtes System der Zahlentheorie auf und
ist bemerkenswert durch einige Sätze über Polygonalzahlen und Pyramidal-
zahlen: er lehrte jede Quadratzahl als Summe von ungeraden Zahlen dar-
stellen, und die Regel des Nikomachus diente noch spät im Mittelalter
zur Quadrierung einer Zahl. Sein Zeitgenosse Theo von Smyrna, allerdings
an Bedeutung weit unter Nikomachus stehend, wird uns dadurch interes-
sant, als wir bei ihm auf die ersten Spuren der Pellschen Gleichung treffen,
indem er eine Reilie von Lösungen für die Gleichung x?—2y? = 1 angibt.
Die beiden letzten namhaften Mathematiker am Ausgange des Alter-
tums sind Pappus (um 330 n. Chr.) und Diophantos (wohl um 350 n. Chr.).
Den Namen des ersteren trägt ja noch eine geometrische Aufgabe wie auch
ein. geometrischer Lehrsatz, doch dürfte es von höherer Wichtigkeit
sein, daß wir bei ihm auch schon den Lehrsatz finden, der jetzt mit dem
Namen Guldinsche Regel bezeichnet zu werden pflegt. Der letztere ist
unstreitig der größte Algebraiker des Altertums, dessen Name ja in der
Bezeichnung der unbestimmten Gleichung noch fortlebt. Diophant hat
eine Vollständige Theorie der bestimmten Gleichungen mit einer Un-
bekannten hinterlassen, die mit einer allgemeinen Arithmetik beginnt,
eine hoch entwickelte Buchstabenrechnung bringt, in der die Unbekannte
mit einem besonderen stets wiederkehrenden Zeichen bezeichnet ist, auch
das Gleichheitszeichen nicht fehlt. Er lehrt die Auflösung der Gleichungen
ersten und zweiten Grades, ja es findet sich bei ihm schon eine kubische
Gleichung gelöst, allerdings ohne Angabe, wie er die eine Wurzel findet.
Diophant kennt noch keine negativen Zahlen, läßt auch bei jeder quadra-
tischen Gleichung nur eine Lösung zu, verrät auch nirgends eine Kenntnis
der Tatsache, daß eine solche Gleichung zwei Wurzeln haben kann und
schränkt die Lösbarkeit der quadratischen Gleichung auf solche ein, bei
denen die Quadratwurzel rational wird. Reich ist Diophants Buch an