I. Kapitel: Kenntnisse der Alten. 27
Verfahrens bewußt ist, allein seinem Beispiele folgend ist die antike Physik
sowie die des Mittelalters vorwiegend eine spekulative Naturphilosophie
geblieben. Den Körpern wohnen vermöge ihrer Natur gewisse geistige
Kräfte inne, die als die wirkenden Ursachen, der Vorgänge in der uns um-
gebenden Erscheinungswelt anzusehen sind. Eine solche Erklärungsweise,
nach der physikalische Erscheinungen auf metaphysische Kräfte, d.h.
auf Ursachen, die ganz außerhalb der körperlichen Welt liegen, zurück-
zuführen sind, steht jedoch jeder wirklich physikalischen Erkenntnis
feindlich entgegen, und darauf ist es wohl zurückzuführen, daß die Physik
des Altertums nicht zu so bedeutenden Ergebnissen gekommen ist wie
seine Mathematik.
Durch Archimedes nahm die antike Physik die Wendung zu einer
mathematischen Physik. Ausgehend von gewissen allgemeinen Grund-
sätzen und einer Anzahl erfahrungsmäßig gewonnener Sätze entwickelte
er in wissenschaftlicher mathematischer Weise die Lehre vom Gleich-
gewichte der Ebenen und den Schwerpunkten derselben sowie das Hebel-
problem. Auch über die Mechanik der Flüssigkeiten gewann er auf dem
Wege der Erfahrung mehrere wichtige Sätze, deren einer ja noch unter
seinem Namen in den physikalischen Lehrbüchern lebt. Er hat schon er-
kannt, daß die Oberfläche einer Flüssigkeit im Zustande der Ruhe sphärisch
ist und der Mittelpunkt ihrer Fläche mit dem der Erde zusammenfällt.
Ebenso war er sich über die Größe, den Angriffspunkt und die Richtung
des Auftriebs klar geworden. Zur Aufstellung der Begriffe „spezifisches
Gewicht“ und „Metazentrum‘ war er jedoch noch nicht gelangt, so un-
mittelbar sie sich auch aus den von ihm gefundenen Gesetzen ergeben.
Von den 40 ihm zugeschriebenen Erfindungen haben der Flaschenzug, die
Schraube ohne Ende und die archimedische Schnecke eine dauernde Stätte
in unseren Physikbüchern gefunden. Seine Arbeiten wurden von den
alexandrinischen Physikern, Ktesibios (um 200 v. Chr.) und dessen beiden
Schülern Heron und Philon, fortgesetzt, die ihre Versuche auf das Gebiet
luftförmiger Körper ausdehnten. Kleine Saugpumpen waren wohl schon
zu Aristoteles’ Zeiten bekannt gewesen; Ktesibios erfand dazu die Druck-
pumpe und eine Art Feuerspritze, die zwar die Verbindung zweier Druck-
pumpen zeigt, der aber noch der Windkessel fehlt, ebenso wie seine be-
rühmte Wasserorgel noch keinen Windkessel in unserem Sinne besitzt.
Heron, dessen Name ja noch im Heronsball fortlebt, hat sich namentlich
der Verwendung des schon den alten Ägyptern bekannten Hebers zu vielen
Apparaten und Spielereien zugewendet; zur Erklärung bediente er sich,
wie auch Philon, der Lehre vom horror vacui. Seine Äolipile beweist, daß
er den Rückstoß auströmenden Wassers oder Dampfes kannte. Daß die Luft
ein Körper ist, bewies er, indem er ein Gefäß umgekehrt ins Wasser tauchte,
wodurch er gleichzeitig ihre Zusammendrückbarkeit und Elastizität dartat.