Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

18 
I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter. 
können, stellten sie sich drehende Quadranten her, bei denen zwei Quadran- 
ten über einem Horizontalkreis drehbar angebracht waren, wodurch wieder 
ein Schritt weiter zum heutigen Theodoliten getan wurde. 
In den Naturwissenschaften war Aristoteles der Lehrmeister der Araber. 
Hatten Ibn Sina (= Avicenna, 980—1037) und Ibn Roschd (= Averroes, 
1120—1198) ihre Aufgabe namentlich in der Übersetzung und Kommen- 
tierung sämtlicher Schriften des Aristoteles gesehen, so blieben die Araber 
doch auch den Naturwissenschaften gegenüber durchaus nicht bloß rezeptiv, 
sondern förderten sie auch produktiv. In der Physik pflegten sie besonders 
die Mechanik und Optik. Bekannt ist ihre hohe Kunstfertigkeit in der 
Anfertigung von Uhren, Wasseruhren (Klepsydren) sowohl wie Räder- 
uhren, und von genauen, empfindlichen Wagen. Wohl benutzten sie das 
Pendel schon als Zeitmesser, doch blieben Pendeluhren ihnen noch fremd. 
Ihre Wagen kennen wir aus Al Khazinis berühmtem Buche: „Die Wage 
der Weisheit‘, der sich seiner den Titelnamen des Buches tragenden Wage 
bediente, um die spezifischen Gewichte fester Körper zu bestimmen, reine 
Metalle von Legierungen zu unterscheiden und die Bestandteile einer aus 
zwei Metallen bestehenden Legierung, ohne sie erst zu trennen, mit ziem- 
licher Genauigkeit und Schnelligkeit zu ermitteln. Das von Al Khazini 
eingeschlagene Verfahren entspricht unserem heutigen der Wägung der 
Wasserverdrängung mit Hilfe der hydrostatischen Wage, als deren erste 
Vorgängerin wir also die „Wage der Weisheit‘ anzusehen haben. Zur Be- 
stimmung des spezifischen Gewichts flüssiger Körper bediente sich der 
arabische Physiker eines Aräometers aus Messing, oder, wie Albiruni 
schon 100 Jahre vor ihm, einer Art von Pyknometer. Die in der ‚,Wage 
der Weisheit‘ enthaltene Tabelle spezifischer Gewichte zeigt uns Zahlen, 
die nur um wenige Hundertstel von den jetzt gültigen Werten verschieden 
sind, und macht der Experimentierkunst des Arabers alle Ehre. 
Bedeutsamer noch als die Fortschritte in der Mechanik waren die 
optischen Leistungen der Araber, über die uns die Optik des Ibn el Haitam 
eingehend unterrichtet. Dieser Gelehrte, der dem christlichen Abendland 
unter dem Namen Al Hazen bekannt geworden ist, teilt sein Buch, das 
das ganze optische Wissen seiner Zeit umfaßt, in drei Teile, von denen der 
erste, die Orthoptik, die Lehre vom Sehen, der zweite die Reflexion des 
Lichts, der dritte die Brechung behandelt. Die in der Orthoptik enthaltene 
Beschreibung und schematische Zeichnung des Auges. zeigt uns, daß er 
hinsichtlich der Linse noch die Meinung der antiken Optiker Euklid und 
Ptolemäos teilt, als befinde sie sich in der Mitte des Auges. Für die ‚Visio 
distincta‘ kommen nur diejenigen Lichtstrahlen in Betracht, die senk- 
recht auf die Linse fallen; die Bedeutung der Netzhaut für dies Zustande- 
kommen des Bildes kennt er noch nicht. Die noch heute gebräuch- 
lichen Bezeichnungen Humor vitreus, .Cornea, Retina, gehen schon auf
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.