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I]. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
Astronomie (= Quadrivium) des Boethius (482—524) die Quellen der
Klostergelehrsamkeit des Abendlandes. Für die Naturlehre kommt neben
diesen Plinius in Betracht; aus ihm schöpfte Beda (672—735) „venerabilis‘“
seine physische Weltbeschreibung: de natura rerum, aus Isidor sein Buch
de temporum ratione; Boethius bildet die Quelle für Alcuins (735—840)
Aufgaben zur Schärfung des Verstandes; Boethius, Isidorus und Beda
selbst sind wieder die Quellen, aus den der primus praeceptor Germaniae
Rhabanus Maurus seine Schriften über Arithmetik und Geometrie, seine
Astronomie und seinen Computus hernahm. Auch der gelehrte Gorbert,
der Lehrer Ottos III., als Papst Sylvester II. genannt, übertraf seine
Zeitgenossen nur in der genaueren Kenntnis jener Sammelwerke, nament-
lich des Boethius, die durchaus nicht weitverbreitet waren, sondern: zu
den seltenen, kostbaren Schätzen gehörten, deren Besitzes sich nur wenige
Klosterbibliotheken rühmen konnten. Mit dem Wissen der Araber war
das christliche Abendland um das Jahr 1000 noch nicht bekannt geworden.
Erst um 1100 begann jene Übersetzungstätigkeit, die die Wissensschätze
der Araber in lateinischer Sprache dem Abendlande zugänglich machte.
Durch Johannes von Sevilla, Plato von Tivoli, Atelhart von Bath, Gerhard
von Cremona, Rudolf v. Brügge, Michael Scotus wurden nicht nur die
arabischen Bearbeitungen der Schriften des Aristoteles, Euklides, Ptole-
mäos, Menelaos, sondern ebenso eifrig auch die Werke der vorhin er-
wähnten großen arabischen Gelehrten ins Lateinische übertragen, so daß
das christliche Abendland im 13. Jahrhundert mit allen jenen Arbeiten
bekannt geworden ist. Infolgedessen bietet sein wissenschaftliches Leben
in diesem Zeitraum ein. von dem früheren so verschiedenes Bild, daß man
auch wohl mit dem Jahre 1200 den‘ Beginn einer neuen Epoche in der
Kulturgeschichte der abendländischen Welt zu datieren pflegt. Diese
Belebung der Wissenschaft nimmt naturgemäß von dem Lande ihren Aus-
gangspunkt, das um jene Zeit wirtschaftlich am meisten entwickelt war,
Italien; infolge seiner zentralen Lage zu der damals bekannten Welt
erfreute dies Land sich eines blühenden Handels, war auch das Städtewesen
in ihm zur Blüte gelangt, und schon machten sich in ihm die ersten Spuren
des Übergangs von der: Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft bemerkbar.
Hier schrieb Lionardo Pisano um 1225 das bedeutendste Werk über die
Mathematik, welches das Mittelalter hervorgebracht hat: Liber abaci, durch
das Italien mit der Null und der arabischen Schreibweise der Zahlen be-
kannt wird, in dem die 4 Spezies in moderner Weise, z. B. auch das sog.
österreichische Subtraktionsverfahren, gelehrt werden, der Bruchstrich
eingeführt, das Ausziehen der Quadrat- und Kubikwurzel erläutert,
das kaufmännische Rechnen in allen seinen Formen behandelt wird,
Gleichungen, sogar. diophantische Gleichungen 2, Grades, gelöst außer
der Zahlenwissenschaft und Zahlentechnik auch geometrische Probleme