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II], Kapitel: Mittelalter.
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lucus a non lucendo gekommen zu sein scheint. Freilich sind auch jene
beiden andern doctores noch im Glauben an die Alchemie und Astrologie
befangen, aber sie geben sich doch nirgends solchen Ungereimtheiten hin,
und Baco eifert wiederholt gegen den Aberglauben, namentlich gegen
den Glauben an Zauberei.
Zwei wichtige Erfindungen bezeichnen auch den großen Kulturfort-
schritt des 13. Jahrhunderts, die Erfindung der Brillen durch den Floren-
tiner Salvino degli Armati?®) (gest. 1285) und die des Kompasses, der an-
geblich durch den Schiffer Flavio Gioja aus Amalfi in Europa bekannt
geworden sein soll, jedenfalls aber im 13. Jahrhundert bei den italienischen
Seeleuten schon im Gebrauch war. Auch bürgern sich die Räderuhren in
Europa ein, in deren Herstellung man große Kunstfertigkeit und Sorg-
falt zeigt, so daß die Zeitmessung eine immer genauere wird.
Zu Anfang des 14. Jahrhunderts wird die Mathematik namentlich
durch Levi ben Gersom gefördert (} 1344), dessen 1321 erschienene „Praxis
des Rechners‘ schon unser heutiges Multiplikationsschema mit dem Aus-
rücken nach links zeigt, und ein Divisionsschema bringt, das einen interes-
santen Gang vom Überwärts- zum Unterwärtsdividieren bildet. . Hier
treffen wir auch zuerst kombinatorische Kenntnisse; die Permutationen,
Kombinationen, Variationen werden behandelt, und bei den Kombinationen
finden wir auch die Eigenschaft des Binomialkoeffizienten (5) = (np)
festgestellt.2) Dieser Levi ben Gerschom ist auch der erste Schöpfer einer
ebenen Trigonometrie, die erst das rechtwinklige Dreieck, dann die schief-
winkligen Dreiecke behandelt und dabei den Sinussatz in klarer Fassung
ausspricht. Er ist auch der Erfinder des Jakobsstabes, eines astronomi-
schen Werkzeuges zur Messung des Winkelabstandes zweier Sterne. Zeit-
genossen dieses „Leo israelites‘ sınd die beiden Mönche Vitelo und Theo-
dorich v. Freiberg, die beide äußerst wertvolle Schriften über die Optik
verfaßten, in denen der Regenbogen wie vom Araber Al Schirasi auf
richtige Weise durch Brechung und Reflexion erklärt wird. Allein diese
Schriften blieben lange Zeit in den Klosterbibliotheken vergraben, so daß
sie keinen Einfluß auf die Entwicklung der Wissenschaft ausüben konnten.
Überhaupt waren die hier mitgeteilten Fortschritte der Mathematik
und Naturwissenschaften im 14. und auch im 15. Jahrhundert noch nicht
Gemeingut aller wissenschaftlich Gebildeten; das durchschnittliche Bil-
dungsniveau der Geistlichen und selbst der Universitätslehrer blieb noch
weit hinter diesen zurück. Selbst im 16. Jahrhundert finden wir solche
Kenntnisse noch nicht allgemein verbreitet. So dürfen wir uns auch nicht
wundern, daß in der ersten Naturgeschichte in deutscher Sprache, dem
Buch der Natur von Konrad Megenberg,2®) um 1350 erschienen, noch so
viele irrige, kindlich alberne Angaben enthalten sind. Allein weder der in