Methodische Hilfsmittel des Unterrichts. 137
anlassung, an dem Zahlenverhältnis zu zweifeln, noch wird er eine ent-
sprechende quantitative Analyse verlangen.
Wägende Versuche sind also vorwiegend dann auszuführen,
wenn die Grundlage des chemischen Unterrichts gelegt wird;
sie fallen darum hauptsächlich in das Gebiet der Unterstufe. Später ge-
braucht man den quantitativen Versuch mehr als eine Art Stichprobe,
zur gelegentlichen Kontrolle schwer übersichtlicher Reaktionsverläufe
oder um die Zusammensetzung eines Spaltproduktes experimentell zu
prüfen. Hierbei wählt man, unter sehr eifriger Mitarbeit der Schüler,
‘unlichst gasvolumetrische Versuche.
Auch andere, sonst brauchbare Lehrgänge würden die Ausführung
quantitativer Versuche leicht ermöglichen. Gute Ergebnisse liefert z. B.
die Umwandlung von reinem Eisenkies zu Schwefeleisen, die Umsetzung
von Kupferoxyd mit Schwefel, von Natrium zu Natronlauge, von Kalium-
chlorat zu Chlorkalium, von Silbersalzen mit Chloriden usw.
Wenn nun trotz reicher Auswahl an Beispielen die schulgemäße Be-
handlung des wichtigsten chemischen Grundgesetzes in einer allen Er-
fahrungen der sonstigen Pädagogik widersprechenden Weise vernachlässigt
wurde, so muß diese eigenartige Erscheinung in äußeren Momenten be-
gründet sein. Bezeichnend hierfür ist der auch jetzt noch oft erhobene
Einwand, „das Wägen erfordert sehr viel Zeit, während welcher
die Schüler nicht genug beschäftigt sind“ oder „eine wirklich
genaue Wage ist zu teuer für die Schulen“. Richtig ausgeführt und
vorbereitet, erfordert ein wägender Versuch gar nicht so viel Zeit, als
meist geglaubt wird, und eine ganz brauchbare Wage ist schon für 30—40
zu haben. Manche Fachlehrer sind von den Wägungen deswegen nicht er-
vdaut, weil sie nicht die absolute Genauigkeit von 100% bei
ihren Schulversuchen erzielen können. Hier möchte ich das Wort in ent-
sprechender Abänderung anführen, welches Küster seinen logarithmischen
Rechentafeln als Motto voranstellt: „Der Mangel an mathematischer
Bildung gibt sich durch nichts so auffallend zu erkennen, wie durch maß-
lose Schärfe im Zahlenrechnen.‘“ Was hier für den Nichtmathematiker
gesagt ist, gilt wörtlich auch für alle diejenigen Chemielehrer, welchen
das innere Wesen der Chemie noch ein versiegeltes Buch bedeutet!
Werden wir uns doch klar, was Wägungen überhaupt besagen, auch
wenn sie mit der feinsten Wage und mit der subtilsten Genauigkeit aus-
zeführt sein mögen. Sie sind immer mit einem Versuchsfehler behaftet,
dessen Größe abhängig ist von der Reinheit des Materials, von der Ge-
nauigkeit der Wage, von der Sorgfalt und Geschicklichkeit des Arbeitenden.
Wirkliche, absolut richtige Versuchszahlen gibt es gar nicht!
Man denke an die langen Versuchsreihen, welche ein Berzelius, Staß,
Morley auswerten mußten: man erinnere sich an die dem jeweiligen Stand