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Allgemeiner Teil.
demnach schon für die Unterstufe geeignet. Andererseits verlangt aber die
theoretische Auswertung dieses Versuches, welche zum Begriff der Gas-
molekel und des Atoms führt, daß auch die vollständige volumetrische
Wassersynthese beigezogen wird, welche, wie wir sahen, sich weit mehr
für die Oberstufe eignet. Auch gasvolumetrische Versuche dürfen also,
wie diese Beispiele zeigen, dem Schüler nicht wahllos geboten werden.
Besonders wertvoll sind gasvolumetrische Versuche nament-
lich dann, wenn sie sich mit wägenden Versuchen kombinie-
ren lassen. Als einfaches Beispiel sei genannt die quantitative Zersetzung
deschlorsauren Kaliums und die volumetrische Bestimmung des freiwerdenden
Sauerstoffs. 1 g Chlorat wird im schwerschmelzbaren Probierglas vor der
Stunde abgewogen und dann im Unterricht geglüht. Das austretende
Gas leitet man in irgendein geeichtes Gasometer und erhält 274 ccm normal.
Wiegt man das Glührohr nach dem Versuch wieder, so erfährt man, daß
der ausgetretene Sauerstoff das Gewicht 0,39 g besitzt; hieraus läßt sich
das Litergewicht des Sauerstoffs berechnen. Oder, wenn man das Liter-
zewicht schon aus früheren Untersuchungen kennt, kann man umgekehrt
berechnen, welches Gewicht den aufgefangenen 274 ccm entspricht,wieviele
Gewichtsteile Sauerstoff also in 1 g Kaliumchlorat enthalten sind. In
Fortsetzung der genannten Berechnung kann man nachweisen, daß der
Glührückstand Chlorkalium ist; daraus läßt sich dann weiter berechnen,
welche Formel auf Grund dieser Untersuchung für Kaliumchlorat an-
genommen werden muß.
Ähnliche Fälle sind die Zersetzung von Quecksilberoxyd durch Hitze,
das Brennen von Kalkstein, die Abscheidung von Sauerstoff aus Blei-
nitrat beim Glühen, die Spaltung von Ameisensäure oder Kleesäure durch
<onzentrierte Schwefelsäure.
Zur Verdeutlichung einer längeren quantitativen Untersuchungsreihe
aus dem Gebiet der Oberstufe, wie man sie allerdings nur ausnahmsweise
durchführen wird, diene ein Stück aus der quantitativen Analyse der
Salpetersäure. Qualitative Versuche aus diesem Gebiet sind als bekannt
vorausgesetzt. 5 g scharf getrocknetes Bleinitrat werden im tarierten,
schwerschmelzbaren Probierglas geglüht, die gasförmigen Spaltprodukte
durch ein in Kältemischung stehendes tariertes Kondensationsrohr ge-
jeitet und das hieraus entweichende Gas (Sauerstoff) über Wasser auf-
gefangen. Nach beendeter Reaktion wird der Glührückstand (Bleioxyd)
gewogen und sein Gewicht als 3,37 g festgestellt; ebenso wird die Flüssig-
keit im Kondensationsrohr gewogen (1,39 g) und endlich das aufgefangene
Gas gemessen (169 ccm normal im Gewicht von 0,242 g). Die erhaltene
Flüssigkeit, Stickstoffperoxyd, eignet sich für qualitative Versuche: Ver-
halten beim Erwärmen, Löslichkeit in Wasser usw. Zur weiteren quantita-
tiven Untersuchung werden nochmals 5 g Bleinitrat durch Hitze zerlegt.