Full text: Methodik des chemischen Unterrichts (4. Band)

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. Allgemeiner Teil, 
scheinungen Veranlassung gegeben hat. Über die Grenzen des tatsächlichen 
Erkennens hinaus bringt uns darauf die deduktive Untersuchung, Sie steht 
zunächst nicht auf dem Boden der Wirklichkeit, sondern der Wahrschein- 
lichkeit, der Vermutung. Ein scharfes Denken, gestützt durch reiches 
Wissen und einen nicht zu kleinen Besitz von Erfindungsgeist läßt auch 
für die zunächst nicht erklärbaren und dem Versuch nicht zugänglichen 
Erscheinungen eine mutmaßliche Ursache finden. Düurch experimentelle 
Prüfung solcher willkürlichen Annahmen oder Hypothesen gelingt es, die 
Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben darzutun. Hat sich die Annahme 
als richtig erwiesen, so läßt sich häufig dieselbe Hypothese auch als die Ur- 
sache anderer Erscheinungen untersuchen und nachweisen. Dadurch ge- 
winnen Wissenschaft und Technik neues Arbeitsmaterial. In theoretischer 
Hinsicht kann man sich sogar bisweilen auf den Standpunkt stellen, daß 
jeder Erklärungsversuch für eine Gruppe von Naturerscheinungen, also 
jede später als Gesetz auszusprechende Zusammenfassung, zunächst als 
eine Hypothese aufgestellt wird. Erst wenn es wirklich gelingt, diese An- 
hahme durch einen Versuch tatsächlich zu bestätigen, wird sie zum Natur- 
gesetz innerhalb der heutigen Grenzen unseres Erkennens. Ganz unzweifel- 
haft ist es also hier der Versuch, welcher diese Erkenntnismöglichkeit 
gewährt. 
Der im vorstehenden entwickelte Grundgedanke der experimentellen 
Forschung gilt für alle Zweige und Ausgestaltungen der chemischen Unter- 
:zichtsmethodik, mag sie sich auf der Demonstration oder auf Schülerver- 
suchen aufbauen. 
Hinsichtlich der Auswahl der Versuche und ihrer Ausführung 
ıassen sich einige allgemeine Bemerkungen dem später folgenden speziellen 
Teil vorausschicken. 
Allzuviel Anschauungsmaterial bedeutet eine Überlastung des Schülers, 
auf welche er sofort reagiert, indem er nicht mehr genügend mitarbeitet. 
Diese Gefahr liegt beim Demonstrationsunterricht viel mehr vor als beim 
praktischen Unterrichtsverfahren. 
Ein künstlich eingeleiteter Versuch, dessen Ergebnis sich erst nach 
längerer Zeit erkennen läßt, erweckt nicht so viel Anteilnahme als ein 
solcher, welcher sich unmittelbar unter unseren Augen abspielt. Auch 
langwierige Berechnungen, welche zur Auswertung eines Versuches nötig 
sind, stumpfen das Interesse ab. Die Schüler erkennen in solchen Ver- 
suchen nur noch ungern eine Frage an die Natur. Wo man sie aber nicht 
umgehen kann, muß man auch mit Unerbittlichkeit darauf bestehen, daß 
sie in ihrem Zusammenhang richtig verstanden werden. Derartige Versuche 
zignen sich meist auch besser zur Demonstration wie als Schülerübungen, 
Bei manchen Versuchen ist man auf das zufällige Eintreten gewisser 
Versuchsbedingungen angewiesen, z.B. bei Beobachtungen über die
	        
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