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Allgemeiner Teil.
gemein in Wegfall kommen. Dagegen müßte die Zulassung zum Staats-
examen selbst nur möglich sein durch den urkundlich beglaubigten Nach-
weis vom Besuch mehrerer experimenteller Praktika und Seminare während
der vorausgegangenen Studienzeit. In Übereinstimmung mit der Unter-
tichtskommission und dem deutschen Ausschuß für den mathematischen
ind naturwissenschaftlichen Unterricht 7) ist ferner zu verlangen, „es mögen
aus der allgemeinen Prüfung diejenigen Bestandteile entfernt werden, die
nur ein Wiederholen gewisser Teile des Abiturientenexamens darstellen“.
Mit Recht weist Duisberg darauf hin, daß eine solche Nachprüfung nur
dem Staatsexamen der Lehramtskandidaten eigen ist und den Schulen
selbst eine bedenkliche Zensur über ihre Leistungen ausstellt.
Ein sehr wichtiger Teil der Ausbildung des Lehrers fällt in die Zeit
nach dem Staatsexamen. Hier erst zeigt sich, was der Kandidat an
praktischen Kenntnissen besitzt; denn der Schuldienst ist im Gegensatz
zur Hochschule ein ausschließlich praktischer Betrieb. Hier erst lassen
sich ungünstige Kombinationen in der Lehrfakultas oder der Mangel an
theoretischen Vorkenntnissen durch Privatarbeit, Ergänzungsexamina,
Übernahme von Assistentenstellen usw. ausgleichen. Die Anleitung in
Seminaren während der Studienzeit konnte zwar zeigen, wie in einzelnen
Fällen ein ausgewähltes Thema experimentell zu behandeln ist; die not-
wendige allgemeine Übung und Sicherheit läßt sich auf diesem Weg nicht
gewinnen. Der junge Lehrer hat im Anfang noch sehr viel Mühe, wenn er,
mit den Kenntnissen des wohlbestandenen Staats- und Universitäts-
examens ausgestattet, in die Praxis des Schulunterrichts hineingestellt wird.
Was nützt ihm die ganze Logik der organischen Synthese, was nützt ihm
ein noch so eingehendes Studium des „Bernthsen‘, des „Nernst‘“, wenn
er doch im Schulunterricht weder ein Publikum von Spezialisten vor sich
hat, noch die Hilfsmittel und Apparate besitzt, welche er zum Nachweis
all der Formeln und Gesetze bedarf? Wohl müssen wir vom jungen Nach-
wuchs unseres Berufes verlangen, daß er in jeder Hinsicht theoretisch und
praktisch durchgebildet sei. Die Praxis des Unterrichts aber — eine
Kunst nennt sie Ostwald — lernt er erst im Dienst der Schule selber.
Die Weiterbildung der jungen Lehrer unter der unmittel-
baren Aufsicht der Schule ist notwendig, weil die Universität
sich nicht hinreichend um die individuelle Ausbildung kümmert und wohl
auch nicht kümmern kann. Man weist zwar darauf hin, daß auch die Ju-
visten und Mediziner ihre Fachausbildung an der Hochschule selbst er-
halten. Gewiß. Aber die praktische Einführung in den Beruf sehen wir
auch bei den Juristen dadurch erteilen, daß sie eine Zeitlang beim Amts-
gericht, bei der Verwaltung, bei Notaren tätig sind und nach Ablauf einiger
Dienstjahre das zweite Examen machen. Die Mediziner können an der
Universität unmittelbar ausgebildet werden, weil hier das nötige Kranken-