Full text: Methodik des chemischen Unterrichts (4. Band)

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Allgemeiner Teil. 
aus dem Werdegang seiner Wissenschaft einzuflechten vermag. Der 
ganze erzieherische Wert der Naturwissenschaften wirkt dann im Wesen 
und in der Arbeit des Lehrers selbst... 
Wir stehen am Ende unserer theoretischen Betrachtungen und schließen 
zusammenfassend mit den begeisterten Worten B. Schmids®) auf der 
Vereinsversammlung zu Göttingen 1908: 
„Die von uns geforderte Vorbildung... gewährt in ihrer Tiefe und 
Abrundung die Möglichkeit, mit dem Wachstum der Wissenschaft im Zu- 
sammenhang zu bleiben und zugleich die Qualitäten der Persönlichkeit 
zu steigern. Nicht nur, weil das innere Wachsen an Bildung veredelt, 
sondern vor allem deshalb, weil ein wissenschaftlicher Lehrer imstande 
ist, das Vorstellungsleben der Schüler ganz anders zu packen. Man muß 
vom Stoff voll und ganz Besitz ergriffen haben, wenn man ihn nach allen 
Richtungen hin auswerten will. Der naturwissenschaftliche Unterrichts- 
stoff beispielsweise soll in seiner grandiosen Gesetzmäßigkeit und wunder- 
baren Vielseitigkeit Geist und Gemüt des Schülers befruchten, der Schüler 
soll aktiv. an den Stoff herantreten, in den praktischen Arbeiten Selbst- 
tätigkeit im Denken und Handeln bekunden, Einblicke erhalten in die 
Art, wie Probleme gestellt und Gesetze gefunden werden. Sodann ist Ge- 
ijegenheit gegeben, Blicke auf die Industrie zu werfen, sei es in rein tech- 
nischer Hinsicht, sei es, um klar zu machen, daß das Deutschland von 
heute auf diesem Gebiete große Eroberungen gemacht hat und die tieferen 
Gründe im Wesen unseres Arbeitens zu suchen sind. Wenn die deutsche 
chemische Industrie beispielsweise die erste Stelle einnimmt, so müssen 
wir die Quellen an jenen Arbeitstischen suchen, wo Geduld und Ausdauer 
wie in keinem anderen Gebiete geübt werden. Wo diese beiden Tugenden 
fehlen, da kann die Chemie nicht groß werden, und ich glaube wohl sagen 
zu können, daß derartige Hinweise und namentlich das Arbeiten selbst 
große moralische Erfolge haben werden. Es muß etwas von jener Hoch- 
spannung, Lust und Kraft in den Gesichtskreis und die Arbeit unserer 
Jugend strömen, wie sie die Menschheit mit dem Aufblühen der Natur- 
wissenschaft im 19. Jahrhundert ergriff, und mit der Betätigung der ver- 
nachlässigten Sinne wird ihre Welt sich reicher gestalten, der Wert des 
Lebens steigern und das Leben klarer und zielbewußter machen. Und wenn 
wir von unseren Schülern mehr Aktivität verlangen, ihrer Selbsttätigkeit 
auf allen naturwissenschaftlichen Unterrichtsgebieten Angriffspunkte auf 
die Natur verschaffen, dann steigern wir schon frühzeitig ihren Mut, der 
die Menschheit im Kampf gegen die Naturgewalten immer selbständiger 
werden und das Gefühl der Zusammengehörigkeit erstarken ließ, mit dem 
Nebenerfolg, die Leistungsfähigkeit gehoben zu haben. Es hieße, den 
Kampf von Vernunft gegen Meinung und Unvernunft, unsere Aktivität 
der Welt gegenüber im Gegensatz zu der Resignation des Mittelalters
	        
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