Vorschläge zur Behandlung der Unterstufe. 239
von selber. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich sehr, gerade das Sieden
und die Abscheidung aus Dampf in fester Form nochmals als Selbstzweck
auszuführen. Als Apparat hierzu wird das Probierglas der vorigen Ver-
suche benützt und frischer Schwefel zu diesem Zwecke verteilt. Nachdem
die diesbezüglichen Beobachtungen gemacht sind, läßt man den schwarz
gewordenen Schmelzfluß wieder erkalten; er durchläuft die schon vorher
wahrgenommenen Zwischenzustände von Neuem. Schließlich ist er wieder
weingelb und beginnt zu erstarren. In diesem Augenblick wird er in kaltes
Wasser gegossen und erstarrt sofort zu den fettglänzenden spröden Tropfen
des gewöhnlichen Schwefels.
Beim Ausgießen bleibt Schwefel am Rande des Probierglases hängen.
Derselbe ist nach dem Erkalten dunkelgelb, erscheint gegen die Messer-
klinge verhältnismäßig weich und wenig spröde; nach einem Tag jedoch
ist er hellgelb und spröde, wie der Stangenschwefel,
Die Kristallisation des Schwefels aus Schmelzfluß sollte von
jedem Schüler genau beobachtet werden; ist es doch die einzige Gelegen-
heit, wo diese für Naturvorgänge wichtigste Art der Kristallbildung im
Unterricht wirklich gut vorgeführt werden kann. Notwendig ist aber
dabei der Besitz von verhältnismäßig tiefen Schmelztiegeln von nicht
unbeträchtlichem Ankaufspreis. Aus diesem Grund ist unter Umständen
ein Demonstrationsversuch mit sehr großen Mitteln vorzuziehen: das
Schmelzen von 1—2 kg Schwefel im Emailletopf im Ölbad. Die Schüler
sehen das Anschießen der Kristallnadeln an der Oberfläche; sie beobachten,
wenn die Schmelze ausgegossen und in kaltem Wasser plötzlich gekühlt
wird, wie die Tropfen kugelig erstarren; die 3—5 cm langen, dünnen und
biegsamen Kristalle sitzen an der Wand des Schmelzgefäßes, also an der
zuerst kalt ‚gewordenen Stelle. Die Kristalle aus Schmelzfluß sind von
Grund aus verschieden von den natürlichen, gedrungenen Kristallgebilden.
Nach 1—2 Tagen aber sind sie spröde und „schwefelgelb‘“. In dem be-
schriebenen großen Schmelztopf, welchen man im Unterrichtszimmer der
Schüler zur Beobachtung aufstellen kann, läßt sich die Umwandlung
ganz prachtvoll beobachten: vergleichbar den allmählich -auswachsenden
Kolonien eines Schimmelpilzes auf gutem Nährboden zeigen sich erst
kleine gelbe Flecken von der Größe eines Stecknadelkopfes; nach 12 Stunden
sind dieselben linsen- bis pfenniggroß, um nach 24 Stunden in große Platten
zusammenzufließen. Daß sich hierbei wirklich eine Umwandlung der einen
Form in die andere vollzogen hat, ist den Schülern nicht zu beweisen und
lohnt darum auch kaum der Worte darüber. Man begnüge sich auf dieser
Stufe des Unterrichts mit dem einfachen Vorzeigen und Durchsprechen
der Tatsachen. Der Begriff der Allotropie kann ja doch vorläufig noch
nicht verwendet werden; er wäre also zunächst bloß eine Belastung des
Gedächtnisses. Auf einer höheren Stufe läßt er sich bequem am Beispiel