Full text: Methodik des chemischen Unterrichts (4. Band)

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Besonderer Teil. 
aufgenommen, wo es sich löst und der Flüssigkeit saure Reaktion erteilt: 
selenige Säure. Die Lösung wird zur einen Hälfte aufbewahrt. Der Rest 
wird mit einigen Kubikzentimeter Schwefligsäure versetzt, wodurch rotes, 
pulveriges Selen ausfällt: Selendioxyd läßt sich sehr leicht reduzieren. 
Der rote sich langsam absetzende Schlamm wird als eine allotrope Form 
des Selens bezeichnet. Jetzt wird Selen im Kugelrohr im Wasserstoffstrom 
erhitzt. Das Gas brennt blau: aus den Elementen bildet sich synthetisch 
Selenwasserstoff SeH,. Dann wird das Gas für kurze Zeit in destilliertes. 
Wasser eingeleitet, wo es sich löst, der Flüssigkeit saure Reaktion erteilt 
und beim Stehen leicht rotes Selen abscheidet. Die Lösungen von Selen- 
wasserstoff und Selendioxyd werden vereinigt, wodurch eine Fällung von 
rotem Selen erfolgt: Selen verhält sich also in allen Punkten genau wie 
Schwefel. Die rote Form des Selens kann auf dem Filter gesammelt, ge- 
trocknet und mit der stahlgrauen hinsichtlich ihrer Löslichkeit in Schwefel- 
Kohlenstoff verglichen werden. Die Umwandlung der roten Form in die 
stahlgraue würde dagegen eine größere Menge Material erfordern als dem 
Unterricht zur Verfügung steht. Auf die Bildung eines Selenids wird ver- 
zichtet, wohl aber die Zusammensetzung der Eisenverbindung genannt, 
ebenso unterbleibt auch die Darstellung reinen Selenwasserstoffs: das Gas ist 
sehr giftig und darf auf keinen Fall in das Unterrichtszimmer ausströmen. 
Dann wird eine Lösung von Selensäure vorgezeigt, welche außerhalb der 
Stunde durch Oxydation von Selen mit Salpetersäure bereitet wurde. Die 
saure Reaktion und die Wirkung eines Tropfens der Lösung auf Barium- 
chlorid wird gezeigt, die Zusammensetzung und Formel genannt. Hierauf 
vergleicht man Sauerstoff, Schwefel und Selen nach Vorkommen, physika- 
lischen und chemischen Eigenschaften, nach Darstellung, Zusammensetzung 
und Eigenschaften der Verbindungen. Hierbei kommt die vollkommene: 
Analogie der drei Elemente zum Ausdruck. Nach Verbindungsgewicht ge- 
ordnet, entsteht zugleich eine Anordnung nach dem Schmelzpunkt, Siede- 
punkt, spez. Gewicht, zunehmender Farbe, Glanz, metallischem Habitus 
und Bildung allotroper Formen. Hieraus wird verallgemeinert: die drei 
Elemente bilden eine Gruppe oder Familie chemischer Elemente. 
Der deutlichste Träger der Familieneigenschaften ist nicht das erste 
sondern das zweite Element. Ganz abgesehen davon, daß nicht sämtliche 
Aggregatformen des Sauerstoffs so ohne weiteres zugänglich sind: man 
kann weder von Oxyden des Sauerstoffs sprechen, noch von Säuren, welche 
sich von diesen Oxyden ableiten würden. Dieser Hinweis ist sehr wichtig. 
Später, bei der Zusammenfassung der Elemente kann nachgewiesen wer- 
den, daß nicht bloß in der Schwefelgruppe, sondern allgemein in sämt- 
lichen Gruppen immer das erste Glied der Familie Abweichungen vom 
allgemeinen Typus zeigt, und daß der Familiencharakter stets beim 
zweiten Element am deutlichsten entwickelt ist. Die Zusammengehörig-
	        
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