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Mittel zur Erreichung des Zieles.
lebende Pflanzen im Schulzimmer zergliedern, im Schulgarten beobachten
lassen. Tiere, Mineralien, Gesteine stehen in der Sammlung zur unterricht-
lichen Benutzung bereit; für physikalische und chemische Versuche sind Vor-
kehrungen getroffen. Die erdkundlichen Anschauungsmittel lassen sich in
Natur meist nicht in die Schule bringen; wir müssen zu ihnen kommen. Das
kostet Zeit — viel mehr Zeit, als ein Unterricht im Zimmer —, dazu vom
Lehrer zweifellos ein größeres Opfer an Kraft; es bringt Schwierigkeiten in der
Stundenplanverteilung mit sich, gesundheitliche Bedenken, die aus einer plötz-
lichen Ungunst des Wetters hervorgehen können. Und selbst die psychischen
Vorteile, die in der Aneignung klarer Anschauungen liegen, werden durch ge-
wisse Gefahren eingeschränkt: die erdkundlich wichtigen Dinge sind meist
räumlich umfassend, lassen sich schwer überblicken; sie werden umrankt von
einer Fülle nebensächlichen Beiwerks, das die Aufmerksamkeit von den Haupt-
sachen ablenkt. All diese Bedenken machen es verständlich, daß über erd-
kundlichen Naturunterricht zwar schon manch gutes Wort geschrieben wor-
den ist, daß wir aber in der Praxis über einzelne lobenswerte Ansätze nicht
hinausgekommen sind. Und doch — wollen wir vorwärts, so gilt es hier ein-
zusetzen! Das betont auch A. Geistbeck in seiner jüngsten Reformschrift! in
Grundsatz: „Das Beobachtungs- und Darstellungstalent des Schülers muß in
eine systematische Pflege von der ersten bis zur letzten Stufe genommen
werden.“‘
Welche geographischen Beobachtungen lassen sich im Freiluftunterricht
anstellen ?
Grundlage alles geographischen Denkens ist die Auffassung
von Raumgrößen. Sie kann nur im Freien mit Erfolg erlernt werden.
Gleichzeitig mit dem Rechenunterricht beginnt der Geographielehrer die Ein-
führung in den Gebrauch des Metermaßes mit Messungen und Schätzungen
kleiner Strecken im Schulzimmer?, Aber er muß rasch zu größeren Aus-
messungen fortschreiten. Auf dem Schulhofe wird mit Fluchtstangen und
Meßband gearbeitet. In einer stillen Seitenstraße wird an der Bordkante eine
Hundertmeterstrecke abgemessen, von den Schülern mehrmals abgeschritten
ind daraus das Schrittmaß jedes einzelnen festgestellt. Auf einem größeren
Platz (Bauplatz, Flußaue) werden mit Fluchtstangen mehrere Hektometer
abgesteckt und die Strecken von verschiedenen Standpunkten aus, also in
wechselnder perspektivischer Verkürzung überblickt. Daran knüpfen sich
Schätzübungen mit nachfolgender Prüfung. Das nächste Ziel ist die anschau-
liche Festlegung des Kilometers auf einer möglichst geradlinigen, leicht
1 A. Geistbeck, Grundlagen der geographischen Kritik. München 1918,
» Vgl. P. Wagner, Die „Richtlinien“ für die Jugendwehr und der Freiluftunterricht
unserer höheren Schulen. Aus der Natur 1915, H. 5. — P. Urbahn, Über erdkundliche
Ausflüge. Mitt, d. Pr. Hauptstelle f. d. nat. Unt, Berlin 1919. — H, Fischer, Der erd-
kundliche Ausflug und die Schulen. Ebenda.,