Naturanschauung.
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überschaubaren Strecke. Das Kilometer wird abgeschritten und dabei die
dritte Form der Längenbestimmung, das Zeitmaß, eingeführt. Weitere
Übungen im Entfernungschätzen sind an die größeren Nachmittagsausflüge
anzuknüpfen. Auf den Staatsstraßen bieten die Kilometersteine, richtiger
Hektometersteine, willkommene Einteilungspunkte; außerdem wird die Ent-
fernung von Alleebäumen oder Straßenlaternen bestimmt, um durch rasches
Abzählen der Zwischenstrecken zu guten Schätzungen zu kommen.
Auf einer späteren Stufe können mit Hilfe der Karte Entfernungen auf-
fallender Punkte im Gelände ermittelt werden. Es gehören außerordentlich
viele Einzelerfahrungen, auch über die Beeinflussung der Schätzungen durch
Sichtigkeit des Wetters, durch größere oder geringere Gliederung der Land-
schaft, dazu, ehe der Schüler einigermaßen zuverlässige Entfernungsangaben
machen kann. Die gesamte Schulzeit reicht dazu eben aus — und doch, wie
wichtig ist diese Fertigkeit im Leben! Daß auch bei Eisenbahnfahrten immer
wieder auf die Länge der durchfahrenen Strecken hingewiesen werden muß,
ist selbstverständlich. -
In der amtlichen Landesaufnahme spielen unmittelbare Längenmessungen
eine sehr geringe Rolle. Winkelbestimmungen treten an ihre Stelle. Das
Verständnis hierfür kann ebenfalls im Freiluftunterricht ziemlich zeitig, meist
schon in Quarta, als Anwendung der Dreieckskongruenz, angebahnt werden.
Wir wollen z. B. die Breite der Elbe feststellen, ohne daß uns eine Brücke zur
Verfügung steht. Am Ufer wird eine „Basis“ festgelegt. Am Gegenufer dient
ein auffallender Punkt als Dreiecksspitze, als ‚Signal‘. Die beiden Basis-
winkel werden durch Visieren gewonnen. Zur rohesten Annäherung genügt
der große Schultransporteur. Vielleicht stehen aber ein Meßtisch und eine
alte „Kippregel“ zur Verfügung. Dann wird das Dreieck im verkleinerten
Maßstab aufgezeichnet. Die eingetragene Höhe ergibt rein konstruktiv die
gesuchte Breite des Stromes. So roh der erhaltene Wert ist, er genügt völlig,
um das Prinzip der Dreiecksmessung den Schülern nahezubringen und
ihnen die Bedeutung des ‚,Trig. Sig.‘ auf dem Meßtischblatt und in der Natur
zu erklären. Es bleibt dem mathematischen Unterricht der Oberstufe vor-
behalten, ähnliche Übungen mit dem Theodoliten bei wesentlich gesteigerten
Anforderungen an die Genauigkeit anstellen zu lassen.
Das zweite Element der Raumauffassung ist die Richtung. Der Sextaner
arbeitet noch nicht mit dem Transporteur; aber er lernt rechte, spitze und
stumpfe Winkel beurteilen. Winkel am Schulgrundstück oder im Straßennetz
werden geschätzt, und zwar sowohl vom Scheitelpunkt aus, als auch in größerer
Entfernung von ihm. Auch diese Übungsgruppe muß jahrelang fortgesetzt
werden unter Steigerung der Ansprüche. Es ist ein häufig festzustellender
Beobachtungsfehler, daß beim Wandern Krümmungen der Straße und der
Wasserläufe in ihrem Winkelbetrage stark unterschätzt werden, was zu
Fehlern beim Gehen nach der Karte führt.