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Naturanschauung,
zeigt sich die Aufhäufung des Schlammes zum Delta. Der Fluß bietet Ge-
legenheit, die Sonderung der Schuttmassen durch die Verschiedenheit der
Transportkraft zu beobachten. Dann wird der Schüler hinreichend vorbe-
reitet sein, um beim Anblick einer Kiesgrube — und sei sie auch auf einem
Höhenzuge gelegen — deren Entstehung als Flußablagerung zu erkennen.
Auch die Kraft des Windes läßt sich fast überall beobachten, wenn nicht an
den Dünen eines Heidegebietes, so doch an Staub- oder Schneewehen. Viel
schwieriger sind Erfahrungen über Tektonik zu sammeln. Deshalb soll man
die Anwendung der Begriffe Falten, Bruch, Horst möglichst lange hinaus-
schieben. Vielleicht ist doch einmal Gelegenheit, Erdrutschungen zu beob-
achten, Gesteinstücke mit Faltungen oder zerbrochenen Quarzadern zu finden.
Die Stratigraphie einer Gegend, das Neben- und Übereinander der
Formationen zu erkennen und daraus erdgeschichtliche Schlüsse abzuleiten,
setzt schon eine bedeutende Reife in der Naturauffassung voraus. Strati-
graphische Wanderungen werden. ohne einen gesonderten Geologieunterricht
kaum von Erfolg begleitet sein. Nur unter dieser Bedingung kann auch das
Verständnis für den Gebrauch einer geologischen Spezialkarte er-
reicht werden. Wer die Schulwanderungen auf dieses Gebiet ausdehnen will,
findet zahlreiche gute Anleitungen, wie man eine Gegend geologisch durch-
wandern und dabei sowohl die allgemein geologischen Fragen wie die Be-
sonderheiten eines Gebietes herausarbeiten kannl. Nur vergesse der Geo-
graph darüber nicht allzu sehr seine eigentlichen Ziele — es gibt für ihn
genug zu erwandern, selbst wenn er die Geologie nur nebensächlich behandelt!
Neben der Morphologie bedarf die Pflanzengeographie besonders des
Freiluftunterrichts. Die Abhängigkeit des Pflanzenkleides von Bodenart,
Wasserzuführung, Dauer und Stärke der Besonnung, überhaupt vom Klima
wird im Naturgeschichtsunterricht rückwärts zu ihren Ursachen verfolgt.
Der Schüler lernt die Nahrungsstoffe der Pflanzen kennen, die Assimilation,
die Einrichtungen zum Regeln der Wasserverdunstung. Die Erdkunde be-
trachtet die Folgen, z. B. das gesamte Vegetationsbild einer Sandheide,
einer feuchten Felsschlucht, eines Hochmoors, eines Mittelgebirgskammes.
Das führt zu reizvollen Beobachtungen auf unseren Wanderungen: nicht
botanische Seltenheiten wollen wir sammeln, nicht möglichst viele Arten fest-
stellen, sondern das Typische einer Pflanzengemeinschaft herausfinden,
die gleichartigen Einrichtungen, die die“ Natur an den verschiedensten
* Ruska, Geologische Streifzüge in Heidelbergs Umgebung. Leipzig, Quelle & Meyer
1908. Vorbildliche geol. Heimatkunde. — Volk, Geol. Wanderungen am Schwäbischen
Meer. Leipzig, Teubner 1910. — Ders., Geolog. Wanderbuch. 2 Bde. Leipzig, Teubner
1911/12. — Joh. Walther, Geologie der Heimat. Grundlinien geologischer Anschauung,
Quelle & Meyer 1918. — S. Passarge, Erdkundliches Wanderbuch. - Die Landschaft.
Leipzig 1921. — Ders., Die Grundlagen der Landschaftskunde. Ein Lehrbuch und eine
Anleitung zu landschaftskundlicher Forschung und Darstellung. Hamburg 1919—21.,
— Weitere ähnliche Werke nennt: A. Berg, Geologie für jedermann. Leipzig, Thomas 1912.