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den solle. Das wäre einseitig und würde der Eigenart erdkundlicher For-
schung, ihrem ‚, Januscharakter‘“ nicht voll gerecht werden. Gewiß, die
„Erdkunde wurzelt in der Naturwissenschaft und empfängt von ihr die Lebens-
säfte‘“ (Gräntz); sie bedient sich vorwiegend naturwissenschaftlicher Arbeits-
formen — aber ihr Ausbau reicht weit hinein in die Gesamtheit der Wissen-
schaften vom Menschen, besonders in die Geschichte, Staatsbürgerkunde,
Volkswirtschaftslehre und Politik. Und dort hat sie oft Gedankenfäden zu
entwirren, denen sich mit rein naturwissenschaftlicher Arbeitsweise nicht bei-
kommen läßt, Deshalb sei schon an dieser Stelle betont, was zu beweisen die
Aufgabe besonderer Abschnitte des Buches sein wird: daß wir an der
Brückenstellung der Erdkunde zwischen den Geistes- und
Naturwissenschaften nicht zu rütteln gedenken.
Noch ein Wort über die Art der Behandlung. Nicht bis ins einzelne,
bis in die Darbietungsform von Lehrerfrage und Schülerantwort soll das
Buch eingehen; es soll auch nicht vollständig den Gesamtstoff eines neun-
jährigen Lehrgangs vortragen — es möchte nur den Lehrer anregen, für jede
Maßregel seines Unterrichts und seiner Erziehung nach Gründen zu suchen.
Es gibt keine alleinseligmachende Methode, am wenigsten in einem Fache,
das noch so in gärender Entwicklung begriffen ist wie die Erdkunde, Nur in
der Vereinigung von reichem Fachwissen und dauernder Beobachtung des
jugendlichen Seelenlebens wurzelt eine gesunde Lehrweise; nur sie gewähr-
leistet jene innige Anpassung des Lehrers an die jeweiligen Umstände: an
Schulgattung, Klassenstufe und die Persönlichkeit des Schülers ebenso wie
an die Besonderheit des Stoffes. Das Handbuch wird sich bemühen, den
Anfänger im Lehramt zu jener denkenden Lehrweise anzuleiten. Aber selbst
wenn ihm diese seine Hauptaufgabe gelingen sollte, muß der Lehrer noch das
Wichtigste selbst hinzufügen, was kein Buchstudium zu geben vermag: das
ist die warme, aus der Tiefe des Herzens quellende Begeisterung für das
Fach und für die Jugend! Erst sie macht den wahren Lehrer und Er-
zieher, erst sie verbürgt den vollen Erfolg des Unterrichts. Mögen recht viele
Leser dieses Buches jene Begeisterung mitbringen, mögen sie dann zwischen
den Zeilen herausfühlen, daß sie im Verfasser einen Gesinnungsgenossen
haben, der ihnen warm die Hand zu gemeinsamer Erzieherarbeit drücken
möchte!
Am Tage, als die Handschrift dieses Buches in Druck gegeben wurde, brach
in Deutschland die Revolution aus. Heute ist das deutsche Volk nicht nur
militärisch, politisch und wirtschaftlich, sondern auch seelisch und sittlich
zusammengebrochen, Zu dem Haß und der Verachtung von außen hat sich tiefe
Mut- und Willenlosigkeit im Inneren gesellt. Die stolze Freude am hochauf-
strebenden Reichsbau, die zu wecken und sachlich zu begründen eine der
schönsten Aufgaben erdkundlichen Unterrichts war, ist dahin. Und dennoch
— Wir müssen hindurch und wieder hinauf! An der deutschen Schule ist es,