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‘Das Bild.
das Portal, die Galerie, der Dachstuhl und der Turm ins Gesichtsfeld treten,
so erscheint dies für eine scharfe Auffassung wenig brauchbar.
Eine dritte zurzeit sehr beliebte Gruppe umfaßt jene Aufnahmen, die von
einem sich fortbewegenden Aufnahmestandpunkt (Straßenbahn, Lokomotive,
Schiff, Kraftfahrzeug) gewonnen werden. Zunächst zeigt sich diese Auf-
nahmeart in einem starken Wackeln des vorgeführten Bildes. Ferner ist der
Aufnehmende gezwungen, viel Unwesentliches mit zu filmen. Durch‘ Aus-
schalten von Zwischenteilen aber und unvermitteltes Zusammensetzen des
Übrigen entsteht ein recht flüchtiges Gesamtbild, das sich viel besser in Ein-
zeleindrücke auflösen läßt. Was hat es z. B. für einen Lehrwert, in einem un-
unterbrochenen Film vorzuführen: eine Reise durch ganz Spanien (93 m}!),
eine Spritztour durch Dresden, Fahrt durch Berlin, Reise von Damaskus nach
Jerusalem? Sind das nicht alles Dinge, die das stehende Lichtbild ebenso,
wenn nicht besser erläutert? Manche von bewegtem Standort aufgenommene
Films geben überdies zu optischen Täuschungen Anlaß, die auszuschalten
selbst dem gereiften Zuschauer schwer fällt. Man sehe z. B. den Film „Hohe
See“, aufgenommen vom Deck eines Fischdampfers. Das Deck steht während
der ganzen Vorführung fest in dem Rahmen des Bildes, als dessen beherr-
schender Vordergrund. Dahinter aber hebt und senkt sich der Meereshorizont
in höchst seltsamer Weise! Frei von den genannten Fehlern sind Ballonauf-
nahmen, und gerade ihnen wohnt ein besonders erdkundlicher Lehrwert inne,
weil sie gestatten, den Gesichtskreis allmählich (während des Aufstieges) zu
erweitern und dann langsam zu verschieben],
Am wenigsten wertvoll erscheinen jene erdkundlichen Filme, in denen die
Bewegung nur auf unwesentliche Teile des Bildes beschränkt ist. Da zeigt
z. B. ein Film eines jener reizvollen Stadttore Rothenburgs mit Durchblick
auf die enge Gasse und ihre mittelalterlichen Häuser. Im Vordergrunde
tummeln sich — vom Aufnehmenden offenbar hierzu veranlaßt, ein paar
Kinder, und eine Frau sieht lächelnd dem Photographen bei der Arbeit zu.
Nicht nur der Schüler, auch der Erwachsene lenkt unwillkürlich seine ganze
Aufmerksamkeit dieser Gruppe zu und sieht von aller Architektur nichts.
Ein anderes Bild zeigt eine lange Dorfstraße ohne Leben; nur im Vordergrunde
zittern die Blätter eınes Baumes im Wind. In solchen Fällen ist das stehende
Lichtbild bei weitem vorzuziehen.
W. Richter? hat noch auf eine andere Verwendungsmöglichkeit des be-
wegten Bildes hingewiesen. Man könnte rein zeichnerisch den Ablauf einer
Jange Zeiträume beanspruchenden Erscheinung darstellen und die
Einzelbilder zu einem Film aufreihen. Ein eigenartiges Beispiel dieser kon-
! Man vergleiche hierzu F. Lampes Bericht über eine Filmvorführung der Alpen in ‘der
Berliner Urania: „Über Lehrfilme“. In: Aus der Natur 1919.
? W. Richter, Der Kinematograph als Vermittler erdkundlicher Bildung. Geogr, Zeit-
schrift 1913.