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Anforderungen an den Oberstufenatlas.
ausschließlich die letztere anwenden. Aber welche ist das? Ist nicht auch heute
noch das ganze Geländezeichnen einer rein persönlichen Auffassung unter-
worfen ? Bedeutet nicht jeder Name eines hervorragenden Kartenzeichners
oder Atlasherausgebers gleichzeitig ein. Programm, Lehmann und Hauslab,
Sydow und Haack, Rothaug und Peucker, Harms, Eckert und Kuhnert — hat
nicht jeder von ihnen sein eigenes Verfahren, womöglich sein besonderes
Patent? In der Tat sind wir noch weit davon entfernt, daß für die Gelände-
darstellung feste Regeln vorhanden wären, nach denen jeder Techniker bei
gleicher Aufgabe auch zu gleichem Ergebnis kommen müßte. Versuchen wir
in diesem Wirrwarr einige Gesichtspunkte zur Beurteilung zu gewinnen!
Zweierlei soll die Karte einwandfrei zum Ausdruck bringen: 1. die Höhe
des Bodens über dem Meeresspiegel, 2. die Böschungsverhältnisse. Beides gibt
mit wissenschaftlicher Genauigkeit die Höhenlinienkarte mit einge-
schriebenen Höhenzahlen — vorausgesetzt, daß sie auf einer hin-
reichenden Anzahl von Einzelmessungen aufgebaut ist. Auf sie muß sich also
jede Darstellungsweise zurückführen lassen, wenn sie höheren Ansprüchen
genügen soll. Aber die Höhenlinien allein sind zu schwer lesbar; weder die
Meereshöhe, noch der Neigungswinkel lassen sich von ihnen mit einem Blicke
annähernd überschauen. Wir brauchen demnach noch weitere Ausdrucks-
mittel, um die Gebirge aus der Papierebene herauswachsen, die Täler sich
vertiefen zu sehen. Die beiden wichtigsten Mittel sind die Farbenabstufung
für die Höhe, die Schattierung für die.Neigungsverhältnisse.
Die Schattierung wird erzielt entweder durch Schraffen oder durch
Schummerung in Kreidemanier oder durch Verwaschen (Lavieren) mit
Tusche. Die Schraffenmanier ist zum erstenmal wissenschaftlich vertieft
worden von dem sächsischen Major Johann Georg Lehmann. Für ihn galt das
militärische Bedürfnis, die Frage, ob ein Gehänge für Infanterie oder für Ar-
tillerie oder nur für Gebirgstruppen zugänglich sei. Er befolgte lediglich den
Grundsatz: je steiler, desto dunkler, und er erreichte diese Wirkung da-
durch, daß er an steilen Böschungen dicke, eng gedrängte Schraffen in der
Richtung des Wasserablaufs anbrachte. Die wissenschaftliche Begründung
ging von der Voraussetzung aus, daß das Licht genau senkrecht von oben
einfällt, so daß Ebenen voll beleuchtet, also weiß erscheinen, während die
Lichtmenge mit zunehmender Gehängeneigung in feststehendem Verhältnis
abnimmt. Bei einem Neigungswinkel von 45° hört die militärische Benutz-
barkeit des Geländes auf; die Zeichnung wendet dann reines Schwarz an.
(Nach Friedrichs des Großen drastischer Anweisung: „Wo ich nicht hin kann,
mache Er einen Klex!“) Es muß betont werden, daß diese ursprüngliche
Manier Lehmanns heute nirgends mehr angewandt wird. Weder die Berech-
nung der Lichtmenge erfolgt nach den alten Grundsätzen, noch wird die
senkrechte Beleuchtung streng durchgeführt. Selbst die ziemlich genauen
Baedekerkarten, die auf Höhenliniengrundlage schraffiert werden, sind