)
Wesen der Erdkunde,
gentes, maria, oppida, portus, montes, flumina, mensurae, populi, qui sunt
aut fuerunt‘. Selbst die „vollkommenste und umfassendste Darstellung der
Länderkunde aus der Antike‘, die uns Claudius Ptolemäus (2. Jahrh. n. Chr.)
überliefert hat, ist im wesentlichen nicht höher zu bewerten als eine nackte,
zusammenhanglose Aufzählung, als „locorum nuda nomina“‘“%.
Das Mittelalter, dessen religiöse Anschauungen die Gedanken auf das
Jenseits wiesen, brachte wie überall, so auch auf. unserem Gebiete einen
„durchgreifenden Rückgang wissenschaftlicher Erkenntnis‘. Und das Ent-
deckungszeitalter mit der sprunghaften Erweiterung des erdkundlichen Ge-
sichtskreises vermehrte zwar die Einzelkenntnisse erstaunlich, ließ aber zum
ordnenden Besinnen keine Zeit. Erst der leider zu früh verstorbene Bernhard
Varenius (1622—50) aus. Hitzacker ragt in seiner „Geographia generalis in
qua affectiones generales telluris explicantur‘‘ durch Schärfe der Auffassung
und vielseitige Betrachtungsweise turmhoch über seine Vorgänger. Ihm ver-
danken wir die scharfe Gegenüberstellung einer. allgemeinen und spe-
ziellen. Geographie, eine Dreiteilung des Stoffes nach mathematisch-
astronomischen, physischen und anthropogeographischen Ge-
sichtspunkten.
Das 18. Jahrhundert, gekennzeichnet durch dilettantische, spielerische und
subjektivistische Richtung der wissenschaftlichen Strömungen, brachte einen
erneuten Verfall. „Curiosa‘‘ ist das Schlagwort, das uns aus den gelehrten
Zeitschriften jener Periode entgegenklingt. „Anmutige Historien‘“, „„curiose
Relationen‘, „seltsame Wunder“, „unerkannte Wohltaten: Gottes‘, „Merk-
würdigkeiten‘“ fanden eifrige Leser? Dazu der übertriebene Utilitarismus
oder Subjektivismus: alle Wissenschaft mußte zurechtgestutzt werden für
besondere Standesbedürfnisse; es gab eine Geographie für Staatsmänner,
Kaufleute, Vertreter der freien Künste oder Gottesgelehrte. Das Politisch-
Statistische überwucherte alle anderen Gesichtspunkte; innere Verknüp-
fungen fehlten vollständig,
Geographie war „keine chemische Verbindung, sondern nur eine mecha-
nische Mischung, ein totes Aggregat zusammengehäufter Einzelheiten“
(Wisotzki). Und noch 1848 urteilte ein Kritiker über diese ganze trostlose
Richtung: „Wenn nur’nicht alles so trocken und abgerissen, so geistlos und
unerquicklich abgehandelt würde, so ganz im Ausschellertone! Nichts als
Register und Namen, Haufen vereinzelter statistischer Nachweisungen! In
die politischen Rahmen werden sofort auch alle Naturverhältnisse einge-
ı O. Peschels Geschichte der Erdkunde bis auf A. v. Humboldt und C. Ritter. 2. Aufl.
v. S. Ruge. München, Oldenbourg 1877. — S. Günther, Geschichte der Erdkunde.
Leipzig und Wien, Deuticke 1904. — E. Wisotzki, Zeitströmungen in der Geographie.
Leipzig, Duncker & Humblot 1897.
2 P. Wagner, Die mineralogisch-geologische Durchforschung Sachsens in ihrer ge-
schichtlichen Entwicklung. Abh. Isis, Dresden 1902,