Formalstufen: Verknüpfung des Stoffes. 189
schaft genannt; Ritfer spricht von einer vergleichenden Erdkunde; andere
bezeichnen sie als das Konzentrationsfach schlechthin. Schon aus der
Mittelstellung der Erdkunde im System der Wissenschaften ergibt sich die
hohe Bedeutung, die der Assoziation im erdkundlichen Unterricht zukommt
sowohl innerhalb der einzelnen Unterrichtseinheit als auch beim Aufbau des
Gesamtlehrplans. Der Begriff der „Vergleichung‘“ wird dabei verschieden tief
gefaßt. Zunächst in seiner Wortbedeutung, wie es auch das Schema der For-
malstufen verlangt. Ein Beispiel: die Betrachtung der deutschen Meeresküsten
ist beendet; nun vergleichen wir die Ostsee mit der Nordsee. 1. Ähnlichkeiten
(Nebenmeere, Inseln, Buchten, Zuflüsse, Seehandelsstädte, Erwerbsmöglich-
keiten, Gefahren), 2. Unterschiede (Lage zum Weltmeer, verschiedene Farbe
und. Salzmenge, Gezeiten, Strandseen in der Ostsee, Inselkranz an der Nord-
seeküste, Küstenlänge. Dann vergleichen wir Helgoland und Rügen, Dünen
und Deiche, die verschiedenen Typen der Buchten, die Lage der Städte (nach
Tischendorf). Oder andere Vergleiche: Südasien und Südeuropa, Kleinasien
und die Pyrenäenhalbinsel, England und Japan, Kamerun und Togo, Ägyp-
ten und Mesopotamien, die Kultur der Eskimo und der Lappen, das Wirt-
schaftsleben der Union und das Großbritanniens, der Urwald von. Brasilien
und der von Kamerun, die südrussische Steppe und die Pußta, der Golfstrom
und der Kuro Schio, das Klima von Norwegen und von Schweden — und so
fort in reicher Fülle! Solche einfache Vergleiche sind äußerst nützlich. Sie
bringen den Gedankeninhalt in immer neue Verkettung; Altes wird geklärt
durch Neues, und Neues wird erst voll verstanden durch einen Vergleich mit
Altem.
Eine besondere Art der Vergleichung im erdkundlichen Unterricht ist die
Benutzung der Heimat als Vergleichsmaßstab. Man hat oft von der
Heimatkunde als Fach und als Prinzip gesprochen. Als Fach steht
sie am Anfang und vielleicht nochmals am Ende des Lehrganges. Als Prinzip
geht sie durch die ganze Schulzeit. Sie liefert die Maßstäbe, an denen die
Fremde gemessen wird, die Naturanschauungen, mit denen die fremde Land-
schaft ausgemalt wird, die Erscheinungen, mit deren Hilfe wir Tatsachen und
Gesetze der allgemeinen Erdkunde finden oder begründen. Ein Stauteich er-
klärt die läuternde Wirkung des Bodensees, eine Schneewehe die Dünenent-
stehung, die fingergroßen Erdpyramiden am Bergeshange ihre großen tiroler
Schwestern. Das uns nahe liegende Elbsandsteingebirge liefert die Vergleichs-
vorstellung für den Tafeljura, der Steilhang des Erzgebirges für den Südabfall
der Alpen oder des Himalaja, die Dresdener Talhänge für die Bildung ‚des
Rheingrabens, die Lößnitzorte für die Landschaft der Bergstraße am Oden-
wald, das Döhlener Kohlenbecken mit seiner Industrie für das Ruhrgebiet.
Die Fülle der Vergleiche ist groß — vorausgesetzt, daß der Lehrer seine Hei-
mat mit den Augen des Geographen und Pädagogen zu sehen versteht und
daß er seine Schüler hinausführt! - '