Full text: Allgemeiner Teil (6. Band, 1. Teil)

92 Formalstufen: Zusammenfassung des Stoffes. 
sart und den Donauweg als Schauplätze der Sage würdigen? Oder wenn der 
Geologieunterricht in U II, die allgemeine physische Erdkunde in O II ein- 
setzt, sollten sich da nicht Anordnungen treffen lassen, daß die Morphologie 
bereits die wichtigsten Hilfskenntnisse aus Gesteinskunde, Verwitterungs- 
lehre usw. vorfindet ? Oder läßt sich nicht die Klimalehre so einordnen, daß 
vorher in der Physik die Wärmelehre und Wetterkunde erledigt worden sind ? 
Und wenn in der Einleitung der Völkerkunde einiges über Schädelbau gesagt 
werden muß, soll da nicht der Geographielehrer zum Naturwissenschaftler 
gehen und sich den Menschenschädel zur Vorführung ausbitten, während um- 
gekehrt der Naturwissenschaftler in O I bei Betrachtung der Menschenkunde 
auf die früher gelernten Begriffe von Kurz- und Langköpfigkeit, von Gesichts- 
winkel und Zahnbau zurückgreift? 
Selbstverständlich dürfen derartige Verknüpfungsversuche nicht zur 
Künstelei führen; sie dürfen nicht wichtige Zusammenhänge in 
dem einen Fache zerreißen, nur um Brücken in andere Fächer 
bauen zu können. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür sind die neuerdings 
entwickelten Vorschläge von Hedler und Eickel, die Geschichte völlig mit der 
Erdkunde zu verquicken, und zwar in der Form, daß die Erdkunde stets die- 
jenigen Länder behandle, die in der Geschichte im Vordergrunde stehen. Das 
würde natürlich ein völliges Aufgeben vernünftiger erdkundlicher Unter- 
richtsgrundsätze bedeuten, eine Zumutung, die bereits F. Lampe} mit aller 
Schärfe zurückgewiesen hat. Er weist auf den verschiedenen Rhythmus hin, 
in dem beide Fächer fortschreiten, auf den großen Gegensatz einer räumlichen 
Anordnung gegenüber der zeitlichen, vor allem aber auf die inhaltlich ganz 
verschiedene Beleuchtung der gleichen Landschaft im erdkundlichen und ge- 
schichtlichen Unterricht. „Wie soll ein Verständnis für das Amerika Wilsons 
erzielt werden, wenn man es bei der Zeit des Cortez behandelt ? Kannte Mon- 
tezuma die Trusts und die Negerfrage und beobachtete er englische Bedräng- 
nis und japanischen Aufstieg? Entweder reißt der Lehrer der Geschichte den 
Zeitfaden ab und wartet bei Columbus und Pizarro auch mit dem Panama- 
kanal und den meerverbindenden Bahnen auf, mit dem Erdöl von Veracruz, 
dem Gold Kaliforniens, den Weizenfeldern Argentiniens und den Schweinen 
Chicagos, mit Erzen und Kohlen, mit Einwanderungspolitik und Imperialis- 
mus, brasilianischem Kaffee und mit Fleischextrakt von Fray Bentos, oder 
aber er bleibt in seinem Gleis der Fahrt durch die Zeiten und bringt nur die 
großen Züge der nach dem Maßstabe der Völker- und Staatengeschichte sich 
gleichbleibenden Naturerscheinungen, also die Oberflächen- und Witterungs- 
beschaffenheit, die Lage im Gradnetz der Erde und Verteilung von Land und 
Meer.‘ Auch die neuesten preußischen „Richtlinien‘‘ von 1924 sind nicht 
frei von Verknüpfungsversuchen, die den erdkundlichen Gedankengängen 
Zwang auferlegen zugunsten einer „kulturkundlichen‘“ Unterrichtseinheit. 
1 F, Lampe, Zur Ausgestaltung des erdkundlichen Unterrichts, Aus d. Nat. 1918, H. 5—7,
	        
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